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Sonnengesang - Franz von Assisi

Laudato si - Sonnengesang

 

 

Bereits in meiner Jugend, als ich den christlichen Glauben entdeckt habe, berührte mich der "Sonnengesang" von Franz von Assisi. Unzählige Male haben wir ihn in der Jugendarbeit in der Jungschar und späten in Konfirmandenlagern gesungen in einer Populärversion gesungen. 

 

(157) Laudato si, o-mio Signore 100 Jahre Gymnasium St. Xaver - YouTube

 

 Doch das Lied ist nicht einfach Kitsch. Schon gar nicht, wenn ich das Umfeld, indem es entstanden ist: Kurz vor seinem Lebensende. Die Situation war alles andere als idyllisch. Franz zieht predigend im Winter durch die Dörfer von Umbrien. Wegen starker Schmerzen in den Augen muss er das Unternehmen abbrechen und kehrt nach Assisi zurück. Er ist nahezu blind und leidet unter ständigen Kopfschmerzen. Den anschliessenden Sommer verbringt er im Garten von San Damiano ausserhalb der Stadt, wo er von Klara gepflegt wird. Dort dichtet er den Sonnengesang. (Quelle: Adolf Holl: Der letzte Christ - Franz von Assisi, Ullstein 1982).

 

"Laudato si" ist einer der ersten altitalienischen Texte. Hier eine Übersetzung:

 

Allerhabener, allmächtiger, gütiger Gott,

Dir sei Lobgesang, Ruhm und Ehre und aller Menschen gutes Wort.

Dir allein, Höchster, stehen sie zu,

und kein Mensch ist würdig, Dir einen Namen zu geben.

 

Gelobt seist Du, mein Gott, mit allem, was Du erschaffen hast,

besonders die herrliche Sonne, unsere Schwester,

durch die Tag ist und Licht.

Schön ist sie und strahlt mit großer Pracht,

gleich Dir, Erhabener.

 

Gelobt seist Du, mein Gott, durch unsere Brüder, Mond und Sterne;

ans Himmelszelt hast Du sie gestellt, leuchtend, prächtig und schön.

 

Gelobt seist Du, mein Gott, durch unseren Bruder, den Wind,

und durch die Luft, durch wolkiges und heiteres, jedwedes Wetter,

durch das Du Deine Geschöpfe nährst.

 

Gelobt seist Du, mein Gott, durch unsere Schwester, das Wasser;

es spendet Leben, ist uns ergeben, kostbar und rein.

 

Gelobt seist Du, mein Gott, durch unseren Bruder, das Feuer,

das die Nacht erhellt;

schön ist es und hilfreich, lodernd und stark.

 

Gelobt seist Du, mein Gott, durch unsere Schwester, Mutter Erde,

die uns nährt und leitet.

Vielerlei Frucht, farbprächtige Blüten und Wiesen bringt sie hervor.

 

Gelobt seist Du, mein Gott, durch die aus Liebe zu Dir Vergebenden,

durch die Schwachen und Geknechteten.

Selig, die es in Frieden tragen,

denn durch Dich werden sie gekrönt.

 

Gelobt seist Du, mein Gott, durch unseren Bruder, den Tod des Leibes,

dem kein Lebender entrinnen kann.

Wehe denen, die sterben in schwerer Schuld.

Selig, die er trifft, ergeben in Deinen heiligsten Willen,

denn ihnen wird der zweite Tod kein Leid antun.

 

Lobt und preiset meinen Herrn.

Dankt und dienet ihm in tiefer Demut.

 

Der erste Teil entspricht noch einer romantisierenden Schöpfungsspiritualität. Doch dann kommt der Text zum Kern dessen, was Jesus uns vorgelebt hat, zur Botschaft der Bergpredigt. Und schliesslich wird er sperrig. Der nahe Tod kommt ins Blickfeld. Der Text wird für mich zu einer Zumutung. Kann ich den Tod als Bruder ansprechen, Gott sogar dafür loben? Ist er nicht der Feind des Lebens, der ultimative Verlust? Meine Empfindung zeigt, wie sehr auch ich vom Zeitgeist geprägt bin. Meine erste Reaktion ist: So wie Franziskus kann ich nicht beten. Gotteslob und baldiger Tod verträgt sich nicht. Ich lebe in einer Gesellschaft, die das Leiden vermeiden will und den Tod verdrängt. Und vom Zeitgeist bin ich mehr geprägt, als ich eigentlich will.

 

Die zweitletzte Liedstrophe fordert mich zum Umdenken heraus:

 

Gelobt seist Du, mein Gott, durch unseren Bruder, den Tod des Leibes,

dem kein Lebender entrinnen kann.

Wehe denen, die sterben in schwerer Schuld.

Selig, die er trifft, ergeben in Deinen heiligsten Willen,

denn ihnen wird der zweite Tod kein Leid antun.

 

Ich weiss nicht, was die Umstände sind, wenn ich sterbe. Wird es auch mit so viel Leiden verbunden sein, dass ich mich danach sehne, sterben zu können? Es gibt das Leiden, sterben zu wünschen und es nicht zu können. Und es gibt heute viele, die das Leiden vermeiden wollen und ein vorzeitiges "Exit" organisieren.

 

Was heisst es, zu leiden? Muss und kann das Leiden vermieden werden? Wie hoch ist der Preis dafür? Muss der Tod möglichst schmerzlos "organisiert" werden?

 

So einfach kann auch ich nicht sagen: Leiden muss angenommen werden. Leiden bedeutet nicht nur Schmerz und Verlust. Leiden kann und muss bejaht werden als natürlicher Teil des Lebens. Leidenserfahrungen sind im Rückblick diejenigen Erfahrungen, die uns entweder zerbrechen oder zu Menschen machen, die Reife und Tiefe ausstrahlen. Dies hängt auch mit der Frage zusammen: Was hält und trägt mich?

 

Nicht jeder "fromme" Mensch erlebt das. Es gibt auch oberflächliche Frömmigkeit, die nicht wirklich hält und trägt. Echte Frömmigkeit hat auch etwas mit "Anfechtung", Fragen und Zweifeln zu tun und mit einem "Dennoch bleibe ich bei dir" (Psalm 73).

 

Franz von Assisi war und ist für meinen Glauben wegweisend geworden. Als junger, frisch "bekehrter" Christ, habe ich zusammen mit anderen jungen Christen den Film "Bruder Sonne, Schwester Mond" von Zefferelli gesehen. Historisch ist der Film nicht "lupenrein". Aber existentiell und berührend. Er entstand in einer Zeit, in der viele nach Alternativen zum "gutbürgerlichen Leben" gesucht haben.

 

 Mich hat der Film als noch nicht ganz Zwanzigjähriger ermutigt, mich abzulösen und eigene Wege zu gehen. Nicht zu tun, was alle tun und scheinbar sein muss, sondern diejenige Alternative zu suchen, die Jesus gelebt hat und mit ihm auch Franz von Assisi. Es war bei ihm nicht einfach eine "friedliche Loslösung" mit dem Segen der Eltern. Ich musste nicht wie Franz von Assisi alles dem Vater zurückgeben, bis ich nackt dastand und in die Arme der Kirche, wie Jesus sie gemeint hat, flüchten konnte. Aber es war auch mit einem Konflikt verbunden. Meine Eltern konnten mich nicht verstehen und es war auch schwierig zu verstehen, dass ich als Sohn Theologie studieren wollte und Pfarrer werden. Erst viel später konnten sie es ansatzweise akzeptieren, ermutigt durch Leute in ihrem Umfeld, die gemeint haben: Ihr könnt ja auch stolz sein. So ist auch Franz von Assisi ein bisschen Teil mein meiner Geschichte.

  

Hier die Szene, in der er sich für den Weg der Nachfolge Christi entscheidet, leider nur englisch: 

 

(157) St. Francis - Brother Sun, Sister Moon - The Conversion Scene - YouTube

 

Übersetzung Liedtext (geschützt; Lizenz erworben): Bertram Kottmann

 

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