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Wahrhaft ein Meisterwerk

 

Wahrhaft ein Meisterwerk

 

Im Zugang zu einer Unterführung in Tiflis, der Hauptstadt von Georgien im Kaukasus, ist mir ein Werk begegnet, das mich bis heute berührt. Es ist ein Graffiti, das zwei Meisterwerke in sich vereint: «Die Schöpfung des Menschen» von Leonardo da Vinci und «Sternenhimmel» von Vincent van Gogh

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Was ist der Mensch?

 

Was würdest du sagen? Wie erlebst du dein Menschsein und was bewegt dich im Blick auf die Menschheit als Ganzes?

 

Vielleicht schreibst du im Kommentar, was dir gerade einfällt. Das wäre bereichernd.

 

Die Antworten sind wohl vielfältig, je nachdem wie es uns gerade ergeht.

 

Vielleicht geht es dir ähnlich wie mir. Ich stehe in der Gefahr, den Glauben an die Menschheit und manchmal auch an mich zu verlieren. Wenn du von Krankheit geplagt bist, wie ich gegenwärtig, seufzt du.

 

Ich erlebe Schwachheit, die ich nicht einfach wegschütteln kann. Es ist mühsam, von Schwachheit geplagt zu sein. Es braucht viel Kraft, den Glauben «Es wird schon wieder» aufrechtzuerhalten und sich neu zu erheben. Obwohl ich dies schon oft erlebt habe.

 

Wenn ich auf das Klima in unserem Land schaue, schmerzt es mich, wie durch die Pandemie und den Umgang damit ein tiefer Graben entstanden ist. 71% von uns haben schon heftigen Streit deswegen erlebt – so das Resultat einer kürzlichen Umfrage.

 

Wenn ich nach Glasgow schaue, wo es um eines der grossen Probleme der Menschheit geht, erlebe ich solche, die dies bestreiten, und andere, die befürchten: Es bleibt eh nur bei «Bla,bla».

 

Unser Graffiti spricht eine andere Sprache. Sie erinnert, was der Mensch auch ist und er nie ganz verloren hat. Im Gegenteil: Es gilt, das Ursprüngliche zu entdecken und zu entfalten. Das ist der Sinn des Lebens: Dass wir den Glauben nicht verlieren.

 

Welchen Glauben?

 

Zunächst den Glauben, dass der Mensch ein geniales Geschöpft ist. Der nackte Adam bei Leonardo da Vinci zeigt einen kraftvollen Mann. Wie genial schon nur unsere Anatomie geschaffen ist. Was sich in unserem Körper abspielt, ist längst nicht vollständig erforscht. Wir sind eine sehr komplexe, geniale Schöpfung Gottes. Wenn etwas nicht funktioniert, wird uns oft erst bewusst, was da alles zusammenspielt. Dazu kommt, dass wir nicht einfach nur Körper sind. Da gibt es auch das, was wir mit «Seele» benennen, das innere Menschsein. Und es gibt einen Geist, der uns fähig macht zur Kommunikation und zu eigener Kreativität. Wir können unseren Horizont erweitern, uns entwickeln.

 

Woher kommt das? Leonardo da Vinci, der als einer der ersten den menschlichen Körper näher erforscht hat, ist in seiner Kunst neue Wege gegangen ist. In in seinem Bild legt er ein Bekenntnis ab. «Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, als Bild Gottes schuf er ihn.» (Genesis 2) Und David sagt: «Du hast den Menschen wenig geringer gemacht als Gott, mit Ehre und Hoheit hast du ihn gekrönt.» (Psalm 8) Das Bild von da Vinci sagt uns noch mehr über Gott und den Menschen. Es enthält die Einladung zur gegenseitigen Beziehung: Die ausgestreckte Hand Gottes, die der Mensch ergreift.

 

Darum geht es. Ich stehe in Beziehung zu meinem Schöpfer. Sie ist die Antwort auf den Schöpfungsakt Gottes. Wir gehören zusammen.

 

Eigentlich ist das, was wir «Religion» nennen, die natürlichste Sache der Welt. Im Internet finde ich dazu als Beschreibung:

 

«Religion leitet sich vom lateinischen religio ab, was Rückbindung bedeutet. Es bezieht sich also auf den Umstand, dass wir eine Verbindung zu etwas aufgegeben haben und es nun unsere Aufgabe ist, uns wieder aufs neue damit zu verbinden. Wenn wir uns in der heutigen Welt umsehen und umhören, ist es nicht schwierig festzustellen, welche Verbindung von der Menschheit zum Großteil aufgegeben worden ist...

 

Der moderne Mensch hat sich weit von der Wirklichkeit entfernt. Er wähnt sich unabhängig und frei. Dabei versteht er nicht, dass seine gesamte Existenz letztendlich nicht seine eigene Errungenschaft ist. Weder hat der Mensch sich selber erschaffen, noch hat er die Luft zum Atmen, das Wasser zum Trinken, noch Sonne oder Erde erschaffen. Es ist eine unumstössliche Tatsache, dass ihm all diese Dinge seit jeher von einer ihm übergeordneten Quelle zur Verfügung gestellt werden.

 

Religion bezieht sich also auf die Bemühung, sich wieder mit der Wirklichkeit zu verbinden. Natürlich sind wir in einem Sinne jeden Augenblick mit dieser Wirklichkeit verbunden. Rückbindung kann sich also nur darauf beziehen, diese Tatsache wieder bewusst anzuerkennen.»

 

Dass wir Menschen in einem grösseren Zusammenhang stehen, zeigt das andere Bild, das der Künstler in Tiflis als Hintergrund erwählt hat: «Sternenbild» von Vincent van Gogh. Auch dies sollten wir nie vergessen.

 

Nochmals Psalm 8, nun in seinem ganzen Wortlaut:

 

2 HERR, unser Herr, wie herrlich ist dein Name in allen Landen, der du deine Hoheit über den Himmel gebreitet hast.

3 Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge hast du ein Bollwerk errichtet deiner Widersacher wegen, um ein Ende zu bereiten dem Feind und dem Rachgierigen.

4 Wenn ich deinen Himmel sehe, das Werk deiner Finger, den Mond und die Sterne, die du hingesetzt hast:

5 Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?

6 Du hast ihn wenig geringer gemacht als Gott, mit Ehre und Hoheit hast du ihn gekrönt.

7 Du hast ihn zum Herrscher gesetzt über die Werke deiner Hände, alles hast du ihm unter die Füsse gelegt:

8 Schafe und Rinder, sie alle, dazu auch die Tiere des Feldes,

9 die Vögel des Himmels und die Fische im Meer, was da die Pfade der Meere durchzieht.

10 HERR, unser Herr, wie herrlich ist dein Name in allen Landen.

 

Ab und zu tut es einfach gut, sich das alles erneut bewusst zu machen. Das Graffiti hilft mir dabei.

 

Ich brauche immer wieder diesen «anderen Blick»: Gerade dann, wenn ich den Glauben an die Menschheit und mein Menschsein verliere. Vielleicht bin ich gegenwärtig nicht fähig dazu. Dann darf ich dazu stehen. Die Bibel kennt nicht nur Loblieder. Die Psalmen geben der Klage weiten Raum. Und auch das tut mir gut.

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Kommentare: 1
  • #1

    Sonja (Sonntag, 14 November 2021 07:16)

    " Rückbindung " finde ich ein treffendes Wort für eine wunderbare Tatsache. Sich binden , verbinden, anbinden , einbinden în den göttlichen Ursprung;
    oder eben sich von der immer sprudelnden Quelle erfrischen lassen.