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Myroslaw Marynowitsch und das Straflager für politische Gefangene Perm-36

Myroslaw Marynowitsch und das Straflager Perm-36

Geschichtlicher Hintergrund

 

Gegenwärtig übersetzte ich mit Hilfe von deepl Translator aus dem Englischen das autobiographische Werk «Das Universum hinter dem Stacheldraht». Es beschreibt die Kindheit und den ersten beruflichen Werdegang von Myroslaw Marynowitsch im System der damaligen Teilrepublik Ukraine der Sowjetunion. Doch schon früh kam er mit Dissidenten in Kontakt, die sich für die Einhaltung elementarer Menschenrechte einsetzte. Er wurde zudem Gründungsmitglied der ukrainischen Helsinki-Gruppe. Sie ist die älteste Menschenrechtsgruppe im Raum der damaligen Sowjetunion. Sie setzte sich für die Einhaltung der Beschlüsse der «Helsinki-Konferenz» ein.

 

Nach zweijährigen Verhandlungen vom 18. September 1973 bis zum 21. Juli 1975 in Genf waren am 1. August 1975 die KSZE-Schlussakte in Helsinki unterschrieben worden. Die unterzeichnenden Staaten hatten sich in dieser Absichtserklärung verpflichtet zur Unverletzlichkeit der Grenzen, zur friedlichen Regelung von Streitfällen, zur Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten sowie zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Außerdem wurde die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Umwelt vereinbart.

 

Der Weg von Marynowytsch uns seiner Freunde führten in die Untersuchungshaft, einem Prozess und schliesslich zur Verurteilung zu sieben Jahre Straflager in Perm-36 ab 1977und anschliessend fünf Jahre interne Verbannung in Kasachstan. Bedingt durch die politischen Veränderungen – Gorbatschow kam an die Macht – konnte der 1987 vorzeitig nach Hause kehren.

 

In diesem Beitrag finden sich der Beitrag zu seiner Person aus dem «Biografischen Lexikon Widerstand und Opposition im Kommunismus 1945-1991» der deutschen Bundesstiftung Aufarbeitung. Anschliessend folgen Hintergründe zum Straflager Perm-36 und verschiedene Bilder dazu.

 

Myroslaw Marynowitsch war nicht nur eine markante Säule unter den damaligen Dissidenten, er ist auch ein markanter Christ und heute Vize-Direktor der Universität der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche in Lemberg. Die Ironie der Geschichte ist es, dass er im Rahmen seiner Untersuchungshaft eine nachhaltige Gottesbegegnung hatte, die ihn zum christlichen Glauben führte. Dies hat sich im Straflager bewährt und vertieft.

 

Unterdessen konnte ich mit Myroslaw Kontakt aufnehmen. So erfuhr ich, dass bereits jemand anders - Günter Korzak in Dresden - das Buch übersetzt hat. Doch seine Übersetzung benötigt noch eine Überarbeitung. Dazu stelle ich mich nun zur Verfügung. Myroslaw freut sich, dass damit eine Veröffentlichung möglich wird. Es wird allerdings noch einige Arbeit und Zeit benötigen. Das Buch ermöglich sehr offene und authentische Einblicke in die Verhältnisse der damaligen Sowjetrepublik Ukraine und lässt verstehen, weshalb die heutige Ukraine um ihre Unabhängigkeit kämpft. Es gibt zudem einen Einblick, wie wertvoll der christliche Glaube ist, unter schwierigsten Umständen überleben zu können.

 

 

Myroslaw Marynowytsch wurde 1949 in dem Dorf Komarowytschi im Gebiet Drohobytsch (heute: Gebiet Lwiw) geboren. Er entstammt einer religiösen Familie, sein Großvater war Geistlicher. Sein Abitur am Gymnasium in Drohobytsch legte er mit Auszeichnung ab, anschließend war er ein Jahr lang Komsomol-Sekretär in einem örtlichen Produktionsbetrieb.

 

Von 1967 bis 1972 studierte Marynowytsch an der Technischen Hochschule Lwiw. Er trat hier mit kritischen Äußerungen über die sowjetische Politik hervor, verteidigte zugleich jedoch die Ideale des Kommunismus. Von der militärischen Ausbildung der Hochschule wurde er ausgeschlossen, sodass ihm der für Studenten übliche Offiziersrang verwehrt blieb. Ein Jahr arbeitete er als Übersetzer für Englisch in einem Industriebetrieb in Iwano-Frankiwsk. In dieser Zeit kam er mit Dissidenten in Lwiw und Kiew in Kontakt. Als er am 22. Mai 1973 Blumen am Taras-Schewtschenko-Denkmal niederlegte, wurde er festgenommen und durchsucht. 1973–74 leistete Marynowytsch Militärdienst im russischen Wologda. Danach ging er nach Kiew, wo er als technischer Redakteur für die Zeitschrift „Počatkova škola und für den Verlag Technika tätig war. Als ideologisch unzuverlässig wurde er entlassen und fand erst nach einiger Zeit Arbeit als Plakatgestalter.

 

Am 9. November 1976 konstituierte sich die Ukrainische Helsinki-Gruppe (UHG), zu deren Gründungsmitgliedern auch Marynowytsch und sein Freund Mykola Matussewytsch gehörten. Seit dieser Zeit befand er sich unter ständiger Beobachtung von KGB und Miliz: Festnahmen, Drohungen und Wohnungsdurchsuchungen gehörten zu seinem Alltag. Er war Mitverfasser und Mitunterzeichner sämtlicher von der UHG herausgegebenen Dokumente. Während eines Taras-Schewtschenko-Gedenkabends im März 1977 in der Kiewer Philharmonie traten Marynowytsch und Matussewytsch ohne Vorankündigung auf die Bühne, wo sie ungeachtet des Protests der Konzertveranstalter das Lied „Testament“ (Zapovit) von Taras Schewtschenko vortrugen. Am 23. April 1977 wurden beide verhaftet. Marynowytsch wurde auf Grundlage von Artikel 64, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der Ukrainischen SSR und Artikel 70, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der RSFSR angeklagt. Sowohl während der Ermittlungen als auch während des Prozesses verweigerte er die Aussage. Die Verhandlung des Kiewer Bezirksgericht in Wassylkiw endete am 27. März 1978 mit seiner Verurteilung zu sieben Jahren Lagerhaft und fünf Jahren Verbannung (das gleiche Urteil erging gegen Matussewytsch).

 

Seine Strafe verbüßte Marynowytsch in den Permer Lagern. Er beteiligte sich an den Menschenrechtsaktivitäten im Lager und schleuste eine Lagerchronik nach außen. Ab 1978 setzte sich Amnesty International für ihn ein. Im April 1984 trat er seine Verbannungsstrafe in dem im westlichen Kasachstan gelegenen Ort Saralschin an, wo er als Zimmermann arbeitete. Im Februar 1987 lehnte er die Einreichung eines Gnadengesuchs ab, konnte jedoch noch im selben Jahr in die Ukraine zurückkehren. Er fand Arbeit in einem erdölverarbeitenden Betrieb in Drohobytsch. Im Februar 1990 wurde er Korrespondent der Lokalzeitung „Halyc‘ka Zorja“.

 

1990 erschien seine noch im Straflager verfasste Arbeit „Das Evangelium eines Narren in Christo“). 1991 war er Mitbegründer der ukrainischen Abteilung von Amnesty International und leitete 1993–98 das Nationale Komitee der Organisation. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Tapferkeitsorden Erster Klasse (2006) und den Freiheitsorden (2008) der Ukraine sowie den Wassyl-Stus-Preis der Ukrainischen Assoziation der unabhängigen kreativen Intelligenz (2009). Marynowytsch war als Dozent für die Geschichte des Christentums am Pädagogischen Institut in Drohobytsch tätig und arbeitete außerdem mit dem Institut für Osteuropaforschung der Akademie der Wissenschaften in Kiew zusammen. Seit 1997 leitet er das Institut für Religion und Gesellschaft der Ukrainischen Katholischen Universität Lwiw, deren Vizerektor er seit 2007 ist. Von 2010 bis 2014 war er Vorsitzender und ist seitdem Ehren-Vorsitzender des ukrainischen PEN-Clubs.

 

Borys Sacharow

 

 

Zur Geschichte des Straflagers Perm-36

 

Das Perm-36 Museum-Reserve befindet sich auf dem Territorium der ehemaligen Strafvollzugskolonie der Streitkräfte 389/36 im Dorf Kuchino, Chusovsky Distrikt, Perm Territorium.

 

Die Kolonie beginnt ihre Geschichte zu Stalins Zeiten. 1946 wurden hier Holzbaracken für Gefangene der Kolonie Nr. 6 der Molotow-Abteilung für Korrekturarbeitslager und KOLONIEN des NKWD gebaut.

 

Nach Stalins Tod und den darauf folgenden groß angelegten Amnestien änderte sich die Zusammensetzung der Gefangenen der Kolonie. Anstelle von Kriminellen, "Verrätern" und "Spionen" kamen ehemalige Mitarbeiter von Strafverfolgungsbehörden, Gericht und Staatsanwaltschaft, die wegen verschiedener Verbrechen verurteilt wurden, in die Kolonie.

 

1972 erhielt diese Kolonie die ersten politischen Gefangenen. Am gefährlichsten, so die Behörden, wurden politische Gefangene aus den mordwinischen Lagern in die Region Perm verlegt. Zu dieser Zeit wurde die Kolonie VS 389/36 oder "Perm-36" genannt. In der Nähe gab es zwei weitere ähnliche Kolonien - Perm-35 und 37. 1980 wurde in der Perm-36-Kolonie ein spezielles Regimegelände für "besonders gefährliche Staatsverbrecher" eingerichtet. Unter den Gefangenen der politischen Lager von Perm waren Autoren und Verteiler antikommunistischer Literatur, Mitglieder von Menschenrechtsgruppen, religiösen, nationalen und anderen Organisationen - Vladimir Bukovsky, Sergey Kovalev, Anatoly Marchenko, Yuri Orlov, Vasily Stus, Natan Sharansky, Gleb Yakunin und andere. Von den drei politischen Lagern, die zu dieser Zeit in der Dauerwellenregion existierten, war dieser Ort der härteste – Gefangene wurden nur in Zellen hinter doppelten Metalltüren festgehalten. Das Lager "Perm -36" wurde 1988 geschlossen.

 

Die Geschichte des Museums beginnt in den frühen 90er Jahren, damals entstand die Idee des Permer Historikers VA Shmyrov, einen Museums- und Archivkomplex an der Stelle eines verlassenen Lagers zu schaffen. Die Verwaltung der Region Perm unterstützte dieses Projekt, und 1994 wurde auf dem Gelände des ehemaligen ITK-36 der Gedenkmuseums- und Archivkomplex "Denkmal für die Opfer politischer Unterdrückung" errichtet.

 

Die Gründung des Museums erfolgte mit Unterstützung der Verwaltung der Region Perm, der Verwaltung des Perm-Territoriums und öffentlicher Organisationen. Im Jahr 2000 erhielt der Komplex den Status eines Denkmals der Geschichte und Kultur des Permer Territoriums von regionaler Bedeutung.

 

Im Jahr 2014 wurde die Staatliche Autonome Kulturinstitution des Permer Territoriums "Gedenkkomplex der politischen Repressionen" gegründet.

 

Seit dieser Zeit hat die Institution viel Arbeit an der Bildung des Museumsfonds, der Schaffung von Ausstellungen und der Organisation von Bildungsveranstaltungen geleistet, um das Andenken an die Opfer politischer Unterdrückung zu bewahren. Die wichtigsten regulatorischen und gesetzlichen Bestimmungen zum Verfahren zur Bildung und Aufbewahrung von Museumssammlungen wurden verfasst und genehmigt, Such- und Forschungsexpeditionen durchgeführt, neue Wander- und Schreibausstellungen eröffnet, Exkursionen und Veranstaltungen für verschiedene Bevölkerungsgruppen durchgeführt. Das Museum setzt wichtige Bildungsprojekte um - den Diskussionsfilmclub "October 30" auf der Grundlage des Kinos "Premier", "School of the Young Guide" zusammen mit den Perm State Humanitarian and Pedagogical Universities und Secondary Schools of Perm, "School of the Young Historian" und anderen.

 

Im Jahr 2016 wurde der Gedenkkomplex für politische Repressionen in die Union der Museen Russlands aufgenommen.

  

 

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