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Was ist Wahrheit?

Was ist Wahrheit?

Bild " Was ist Wahrheit?“,

von Nikolai Ge (1831-1894), einem ukrainischen Maler

 

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Einführung von Max Hartmann


Die Frage ist wohl so alt wie die Mensc
hheit. In der biblischen Urgeschichte der Menschheit ist die Frage der listigen Schlange, die sie an das erste Menschenpaar stellt:

 

"Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen? Und die Frau sprach zur Schlange: Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen. Nur von den Früchten des Baumes in der Mitte des Gartens hat Gott gesagt: Ihr dürft nicht davon essen, und ihr dürft sie nicht anrühren, damit ihr nicht sterbt. Da sprach die Schlange zur Frau: Mitnichten werdet ihr sterben. Sondern Gott weiss, dass euch die Augen aufgehen werden und dass ihr wie Gott sein und Gut und Böse erkennen werdet, sobald ihr davon esst. Da sah die Frau, dass es gut wäre, von dem Baum zu essen, und dass er eine Lust für die Augen war und dass der Baum begehrenswert war, weil er wissend machte, und sie nahm von seiner Frucht und ass. Und sie gab auch ihrem Mann, der mit ihr war, und er ass. Da gingen den beiden die Augen auf, und sie erkannten, dass sie nackt waren. Und sie flochten Feigenblätter und machten sich Schurze. Und sie hörten die Schritte des HERRN, Gottes, wie er beim Abendwind im Garten wandelte. Da versteckten sich der Mensch und seine Frau vor dem HERRN, Gott, unter den Bäumen des Gartens. Aber der HERR, Gott, rief den Menschen und sprach zu ihm: Wo bist du? 10 Da sprach er: Ich habe deine Schritte im Garten gehört. Da fürchtete ich mich, weil ich nackt bin, und verbarg mich. Und er sprach: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe? Und der Mensch sprach: Die Frau, die du mir zugesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben. Da habe ich gegessen."

 

In der biblischen Symbolsprache spiegelt sich die Wahrheit über unser Menschsein. Zunächst: Ein Verbot reizt, es trotzdem zu versuchen – die Grenzen zu überschreiben und zu sehen, was dann ist. Und es trifft zu: Die Verletzung der für uns eigentlich gut gegebenen Grenzen lässt uns erkennen, was Gut und Böse ist. Wir könnten in der Folge unterscheiden lernen und klüger werden.

 

Was nach der Grenzüberschreitung geschieht, wenn die Wahrheit ans Licht kommt – und dieser Moment kommt fast immer – ist die Scham, dass wir entdeckt wurden. Wir kommen uns dabei buchstäblich entkleidet vor, nackt. Und bei den Prominenten wird es dann breit in der Öffentlichkeit ausgeschlachet, der Ruf ist dahin, oder kann zum Ruin führen.

 

Typisch ist natürlich auch die Reaktion von Adam, als er zur Rechtschaffenheit gezogen wird: Er schiebt die Schuld ab auf Eva, die ihn ja versucht hat – glaubt, sich damit entschuldigen zu können. Doch das Sprichwort trifft zu: „Mitgegangen, mit gehangen.“

 

Es ist also nichts Neues unter der Sonne.

 

Die Versuchung steht auch am Beginn des Weges von Jesus, nachdem er im Jordan getauft wurde und seine Berufung zum Messias annahm. Er zieht sich dann zunächst in die Wüste zurück als Zeit der Vorbereitung, der Konzentration. Und in solchen Momenten melden sich gerne die Dämonen, die hindern wollen. Der Teufel versucht Jesus dreimal. Und er tut es sehr geschickt: Er benutzt dazu die Bibel. Doch Jesus weiss zu entgegnen, die biblische Wahrheit im wirklichen Kontext zu verstehen.

 

Ein weiterer grosser Moment: Der römische Statthalter muss entscheiden, ob Jesus zum Tod verurteilt werden soll. Eigentlich sieht er keinen Grund dazu. Er fragt deshalb nochmals nach:

 

„Du bist also doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es. Ich bin ein König. Dazu bin ich geboren, und dazu bin ich in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme. Pilatus sagte zu ihm: Was ist Wahrheit? Und nachdem er dies gesagt hatte, ging er wieder zu den Juden hinaus, und er sagte zu ihnen: Ich finde keine Schuld an ihm.“ (Johannes 12,38-39)

 

Darin sehen wir wieder mehrere Dinge: Zunächst die Wahrheit, dass diese allein bei Gott liegt und damit in seiner irdischen Offenbarung, der Gestalt von Jesus. Dann stellt Pilatus die letztlich zynische Frage: "Was ist Wahrheit?" Für ihn gibt es keine Wahrheit, oder wenn schon, dann definiert sie jeder für sich selbst. Und was meine Wahrheit ist, kann für dich eine Lüge sein. Aber dennoch: Die Wahrheit lässt sich auch bei Pilatus nicht bestreiten, und er sagt es auch: „Ich finde keine Schuld an ihm.“

 

All das ist von höchster Brisanz auch in der Gegenwart. Wir leben in einer Welt, in der so vieles gesagt und bestritten wird. Ist es überhaupt möglich, die Wahrheit zu finden? Und es gibt ein unbewusstes bis durchaus bewusstes und gezieltes Spiel mit der Wahrheit.

 

Das hat sich in den letzten Jahren deutlich zugespitzt. Etwa in der Gestalt von Donald Trump, der so weit ging, dass er das Resultat seiner Wegwahl bestritt, den Zweifel säte, es wäre nicht mit rechten Dingen zu und her gegangen. Auch wenn es ihm und seinen Anhängern bewiesen werden könnte, dass es nicht zutrifft, würde dem nicht geglaubt.

 

Ein wahrer Meister der Verdrehung ist Wladimir Putin. So bombardiert er täglich durch die Medien das Volk in seinem Land mit seinen „Wahrheiten“. Auch bei uns fragen sich manche, ob er nicht Recht habe, der Volksaufstand in der Ukraine auf dem Maidan 2014 sei  ein gezielter Putsch des CIA und der Krieg im Donbass danach ein Krieg der Ukraine gegen das eigene Volk gewesen. Damals erschienen viele „grüne Männer“ in dieser Region, die einen Teil der Bevölkerung, unzufriedene Bürger unterstützen sollen. War dahinter wirklich ein Volksaufstand oder war es ein gezielter Putsch durch Russland? Putin bestritt, dass die Soldaten etwas mit ihm zu tun hätten – später wurde es aber deutlich, dass Putin ganz offen westliche Staatsoberhäupter angelogen hatte.

 

Oder wir fragen uns, wer den Anschlag auf die Pipeline in der Ostsee ausführte. Wissen tun wir es nicht. Wem trauen wir es aber zu und weshalb? Oder die Sprengung des Dammes im Dnipro. Wobei dort klare Indizien zeigen , dass es Russland war (durch seismische Überwachung und die heutige ständige Überwachung durch Sateliten). Aber der Zweifel ist gesät und bleibt hartnäckig wie bei Adam und Eva haften.

  

Kürzlich sagte jemand zu mir: „Aber die Ukrainer sind auch keine Heiligen.“ Ja, auch sie machen schlimme Dinge. So habe ich im Buch von Jonas Kratzenberger gelesen, der als Deutsche als Freiwilliger in die Ukraine ging und mitbekam, wie drei der damals von ihnen gefangenen russischen Soldaten offensichtlich hörbar erschossen wurden, um die übrigen zu ängstigen. Das ist in der Tat ein Kriegsverbrechen. Er schreibt aber auch, dass es dann eine Untersuchung der ukrainischen Militärjustiz gab, dessen Resultat er aber nicht mehr mitbekam. In Russland wurde dies durch die Medien ausgeschlachtet, allerdings ohne Hinweis, dass es eine Untersuchung gibt und ohne Hinweis, dass Jonas Kratzenberger keineswegs seinen Einsatz bedauert und nach Ende des Krieges zum Wiederaufbau in die Ukraine ziehen will. Er hat sich auch in eine Ukrainerin verliebt.

 

Damit sind wir beim Stichwort Medien. Seit einigen Jahren ist bei uns der Begriff „Mainstream-Medien“ aufgetaucht, hinter der die Behauptung steht, dass wir in unseren Medien einseitig informiert werden oder noch weitergehend, sie „Lügenpresse“ sind. Diese Sprache hat zu einem zunehmenden Misstrauen und einer Spaltung in unserer Gesellschaft geführt. Sie geht so weit, dass manche keine Zeitungen mehr abonnieren oder die bisher vertrauten Medien meiden und sich nach „Alternativen“ umsehen. Es gibt bedeutende Portale im Internet, die den Anspruch erheben, „richtig“ zu informieren, unzensiert. Wer sich näher damit beschäftigt wird entweder zu deren eifrigen Nutzern und erhält eine völlig neue Weltsicht – oder er kann erkennen, was dahinter steht, was wahr und falsch ist. Dies ist allerdings eine anspruchsvolle Aufgabe.

 

Ich habe Myroslaw Marynowytsch, sowjet-ukrainischer Dissident, gefragt, was er davon hält. Er kennt die damaligen Spiele des KGB und die Unrechtsjustiz und die Macht der ständigen Propaganda, die alles andere ausschloss, am eigenen Leib. Er büsste für seinen Einsatz für die Menschenrechte mit sieben Jahren Straflager und fünf Jahren Verbannung und wird heute vielfach mit Preisen geehrt. Er antwortete:

 

„Ja, natürlich sind auch die Ukrainerinnen und Ukrainer keine Heiligen und tragen alle Wunden des sowjetischen Traumas mit sich. Selbst in Kriegszeiten gibt es neben unglaublichem Heldentum und höchsten Tugenden auch Diebstahl und Gerissenheit. Menschen sind Menschen... Und doch glaube ich, dass Tertullians Worte "Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche" auch heute noch aktuell sind. Das heißt, auf dem Blut der Unschuldigen von heute muss die höchste Spiritualität in der ganzen Welt reifen.“

 

Und später, als ich ihm schrieb, wie verunsichert sogar bekennende Christen sind, was die Wahrheit betrifft und die Medien, schrieb er:

 

„Danke, Max, für deine Arbeit, die Wahrheit zu verbreiten! Das ist nicht nur ein Problem für bestimmte Gruppen in der Schweiz - die ganze Welt verliert die Fähigkeit, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Und die russische Propaganda vermischt absichtlich beides, um die Menschen zu verwirren. Während der Dissidentenzeit konnten die Menschen in der UdSSR den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge erkennen, sobald sie eine Sendung von Radio Liberty hörten. Heute kann man in Russland alle Informationen aus dem Internet beziehen, aber das Problem ist, dass die Menschen nicht mehr in der Lage sind, Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Leider schenken alle Kirchen diesem Problem nur sehr wenig Aufmerksamkeit, und das ist ein grundlegendes menschliches Problem! Übrigens, ich weiß nicht, ob du unseren interkonfessionellen Text von vor ein paar Jahren schon gesehen hast.“

 

Die Vorhebung sind von mir. Wir scheint die Problematik heute besonders dringend, auch in christlichen Kreisen. Unsere Aufgabe sollte es sein, unsere Gemeindeglieder zu befähigen, zwischen wahr und falsch erkennen zu können. Es ist eine urbiblische Aufgabe. Paulus spricht in seinem 1. Korinterbrief von den vielen Gaben, die Gottes Geist allen Gemeinden schenkt. Eine davon ist „der Geist der Unterscheidung“ und ebenso die Gaben der „Weisheit“ und der „Erkenntnis“ (1. Kor 12).

 

Bereits 2020, noch vor dem Angriffskreig auf das ganze Land, ist in der Ukraine ein Dokument entstanden, dessen Erstunterzeicher Myroslaw Marynowytsch ist. Das Dokument, das hier folgt, beschreibt die Problematik gut, und zeigt einen Weg der Hilfe. Es verdient auch im Westen eine Verbreitung, da wir letztlich in demselben Boot sitzen.

 

  

Sehnsucht nach der Wahrheit, die uns frei macht

 

16.04.2020, 17:34 RISU Religion Information Service of the Ukraine

 

Inhalt

Einleitung 

 

Kapitel I. Die Wahrheit, wie wir sie heute sehen

Ontologische Grundlagen der Wahrheit

Der Zustand der Welt, in der wir leben

 

Kapitel II. Weltliche Lösungen

Die "Legitimität aller Standpunkte"-Falle: Die Wahrheit gehört nicht allen

Die "Sicherheitsfalle": Der Verlust der Wahrheit führt zu einem Verlust der Sicherheit

Die Erfahrung der Ukraine: eine klare Konfrontation zwischen Wahrheit und Irrtum

 

Kapitel III. Lösungen aus christlichen Gemeinschaften

Die "Eigentumsfalle der Wahrheit"

Die "politische Korrektheit" oder "Dialog um jeden Preis" Falle

Die "Sicherheits-" und "Friedens"-Falle

 

Kapitel IV. Auf der Suche nach der befreienden Wahrheit

Befreite Wahrheit ist ein Weg

Wie können wir den Kampf gegen die Industrie der Lügen gewinnen?

Die Selbstzerstörung der Lüge

Gott, der die Lüge vernichtet

Die menschliche Beteiligung an der Überwindung der Täuschung

"durch das Blut des Lammes"

"durch das Wort ihres Zeugnisses"

"und sie liebten ihr Leben nicht bis in den Tod"

 

Schlussfolgerung: die Notwendigkeit einer geistlichen Mobilisierung

 

Einleitung 

Die Unterzeichner dieses Dokuments sind Christen, Gläubige der Orthodoxen Kirche der Ukraine, der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, der Römisch-Katholischen Kirche in der Ukraine, der Vereinigung der Missionskirchen der Evangelischen Christen der Ukraine und des Rates der Unabhängigen Evangelischen Kirchen der Ukraine. Wir lieben unsere Kirchen und bleiben ihren Traditionen treu. Gleichzeitig lieben wir das Land unserer Väter in Kyjiw und hören das Herannahen der großen Schlange, die versucht, uns zu täuschen und zu beherrschen. Dies hat uns dazu veranlasst, unsere Bedenken zu äußern und einen Konsens in der gesamten Ukraine zu suchen.

 

Die Kirche Christi ist seit langem davon überzeugt, dass die Wahrheit nicht das Was, sondern das Wer ist, denn Christus hat der Welt erklärt: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater als nur durch mich." (Joh. 14:6). Die Kirche sagte auch voraus, dass eine Welt, die mit Christus bricht, auch die Wahrheit ablehnen und in eine grundlegende ontologische Krise geraten würde. Und tatsächlich befindet sich die Welt in einer spirituellen Krise und verliert die Fähigkeit, zwischen Gut und Böse, Wahrheit und Irrtum zu unterscheiden.

  

Aber wenn Jesus "der Weg, die Wahrheit und das Leben" ist, was sind dann die Auswirkungen dieses unerbittlichen Ansturms von Täuschungen? Christen brauchen dringend ein klares Bild von dem, was passiert, und eine handlungsfähige Anleitung, um die verhängnisvollen Auswirkungen von Irrtümern und Lügen zu vermeiden.

 

Von unseren Kirchen haben wir die Gabe der Taufe und den Schatz des Evangeliums erhalten. Unsere Kirchen ermahnen uns, auf Gottes Wort zu hören. Dieses Dokument ist die Frucht unserer Annahme des Wortes Gottes. Die Fülle der Wahrheit gibt es nur bei Gott, und unsere Suche trägt unweigerlich das Siegel menschlicher Unvollkommenheit und Grenzen. Dennoch kommt unsere Suche nach der Wahrheit aus tiefstem Herzen.

 

 

 

Kapitel I. Die Wahrheit, wie wir sie heute sehen

Ontologische Grundlagen der Wahrheit

Unsere Welt wurde durch Gottes Wort erschaffen: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Er war im Anfang bei Gott; durch ihn ist alles geschaffen, und ohne ihn ist nichts geschaffen, was geschaffen ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen." (Joh. 1,1-4). Das ist die Welt, die wir lieben und in der wir leben wollen.

 

Der Teufel ahmt Gott immer wieder nach. "Und das ist kein Wunder, denn auch der Satan verkleidet sich als Engel des Lichts." (2. Korinther 11,14). Satans Wort ist falsch, und mit seinen Worten der Falschheit schafft Satan seine Gegenwelt - das Reich des Irrtums: "Er [der Teufel] war von Anfang an ein Mörder und hat nichts mit der Wahrheit zu tun, denn es ist keine Wahrheit in ihm. Wenn er lügt, redet er nach seinem eigenen Wesen; denn er ist ein Lügner und der Vater der Lüge." (Joh. 8:44). Dies ist eine Welt, die Christus hasst, weil Christus gegen diese Welt der Bosheit Zeugnis ablegt (vgl. Joh 7,7).

 

Die heiligen Kirchenväter entdeckten das Geheimnis des Wesens Gottes als die Heilige Dreifaltigkeit: Vater, Sohn und Heiliger Geist [1]. Einige andere Namen Gottes sind Liebe, Wahrheit und Barmherzigkeit: "Du aber, Herr, bist ein barmherziger und gnädiger Gott, langsam zum Zorn und reich an beständiger Liebe und Treue" (Ps. 86,15).

 

Da das Böse das Gute nachahmt, passt es sich auch der göttlichen Natur an und existiert daher ebenfalls auf dreifache Weise: Täuschung, Hass und Gewalt. In jeder dieser Erscheinungsformen sind Anzeichen des Bösen zu erkennen. Alle drei sind in einem einzigen Gewebe miteinander verwoben.

 

Deshalb nehmen wir in unserer Welt eine Art unausweichliches Magnetfeld wahr, in dem sich die Menschen in diejenigen, die das Gute wählen, und diejenigen, die dem Bösen nachgeben, aufteilen.

 

Für Christen, so wiederholen wir, liegt die Wahrheit nicht in Postulaten oder Behauptungen [2], sondern in der Person von Jesus Christus: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh. 14,6). Für Christinnen und Christen ist Wahrheit eine lebendige Beziehung, in der sie andere wie sich selbst behandeln und nicht nur eine "Idee" - denn eine "Idee" wird nur allzu schnell zur Ideologie. Tatsächlich stellen wir fest, dass selbst die Wahrheit, für die die Menschen vor einigen Jahrzehnten gelitten haben (z. B. Freiheit oder Menschenrechte), zu Ideologien geworden sind, die sich in Werkzeuge der Verfolgung und Diskriminierung verwandelt haben.

 

Das Christentum lehrt Demut bei der Suche nach der Wahrheit. Gläubige sind dazu aufgerufen, ihr Leben im Licht der Wiederkunft Christi zu leben. "Wir brauchen die Gabe der Unterscheidung, um das Gericht Gottes über die menschliche Geschichte irgendwie vorwegzunehmen und uns darauf einzustellen" [3]. Wir könnten uns irren, und die tragische Geschichte der Menschheit lehrt uns, dass naiver Glaube an das eigene "Recht" zu großem Übel und Leid führen kann. Die Frage ist: Können wir die Geschichte vor Gottes letztem Gericht beurteilen? Die Antwort ist ja ... und nein. Wir können die Wahrheit nur dann vom Irrtum trennen, wenn wir die Realität mit den "Augen Gottes" betrachten, uns daran erinnern, dass erst am Tag der Ernte die Spreu vom Weizen getrennt wird (Mt. 13:24-44), und nie vergessen, dass wir nicht die Eigentümer von Gottes Sichtweise sind. Wahrheit ist wirklich relativ - aber nur in dem Sinne, dass sich die Wahrheit auf Gott bezieht.

 

Dieses Verständnis wird sogar von Nicht-Gläubigen geteilt. Wissenschaftler/innen und Aktivist/innen, die gegen Gewalt und Ungerechtigkeit kämpfen, wissen, dass, wenn jemand mit dem Verweis auf die "Relativität" antwortet, dies lediglich ein Versuch ist, sich der Verantwortung zu entziehen oder Manipulation zu betreiben.

  

Der Zustand der Welt, in der wir leben 

Während der gesamten Zeit, die die Welt nach dem Sündenfall existiert hat, war die sündige Täuschung im Schatten von Gottes Wahrheit präsent. Im Laufe der Zeit wurden die Propagandamaschinen immer ausgeklügelter und der Sieg der Lüge wurde immer weiter verbreitet. Doch im Laufe der Zeit zerfielen die Pläne der Täuschung zu Staub. Das wichtigste Instrument der Menschheit zur Wiederherstellung der Wahrheit war die Fähigkeit des Menschen, zwischen Gut und Böse, Wahrheit und Irrtum zu unterscheiden. Dies setzte die Anwesenheit des Lichts - der göttlichen Wahrheit - voraus, denn nur dort, wo Licht ist, kann man die Dunkelheit erkennen.

 

Heute, vor unseren Augen, hat der Teufel genau diese Fähigkeit angezapft und sät Verwirrung in den Köpfen und Seelen der Menschen. "Bei der Informationskriegsführung geht es nicht darum, eine alternative Wahrheit zu schaffen, sondern darum, unsere grundlegende Fähigkeit zu untergraben, die Wahrheit überhaupt zu erkennen." [4] Die moderne Vorstellung von Gut und Böse entwickelt sich weiter, und das Neue an unserer aktuellen Situation ist, dass sich das Böse "vor unseren Augen verbirgt und sich der Erkenntnis entzieht, dass es wirklich existiert, was das Böse wirklich ist" [5].

 

Heutzutage enthalten Lügenfabriken teilweise wahrheitsgemäße Informationen mit subtilen Verzerrungen, wodurch die Informationen plausibel, aber nicht weniger unwahr werden. "Auf diese Weise erlangt der Inhalt, auch wenn er grundlos ist, einen solchen Anschein von Wahrheit, dass selbst seriöse Dementis ihm wahrscheinlich keinen Schaden zufügen" [6]. Diese Art von Informationen spielt mit den tief verwurzelten Instinkten und Stereotypen eines Menschen und bringt ihn dazu, das zu glauben, was er glauben will.

 

Der Glaube an verzerrte Informationen wird zu einem Akt des Glaubens und nicht zu einer logischen Schlussfolgerung. Außerdem werden logische und objektive Argumente, die die Falschheit solcher Informationen belegen, vom "Zombie-Empfänger" als Versuch der Täuschung und Irreführung wahrgenommen. Eva glaubte zum Beispiel, dass Gott die Fähigkeit, Gut und Böse zu erkennen, verbergen wollte (vgl. Gen 3,1-7), und wir alle wissen, wie diese Geschichte endete.

  

Natürlich wäre es übertrieben zu behaupten, dass heute mehr gelogen wird als zu irgendeiner anderen Zeit in der Geschichte. Der heilige Märtyrer Cyprian von Karthago schrieb in der Mitte des 3. Jahrhunderts und verglich seine Zeit mit den apostolischen Zeiten, in denen alle mit einem Herzen und einer Seele lebten: "Unsere Einmütigkeit hat abgenommen, und die aktive Großzügigkeit ist geschrumpft. [...] Der Herr muss sich auf unsere Zeit bezogen haben, als er in seinem Evangelium sagte: 'Wenn der Menschensohn kommt, wird er dann Glauben auf der Erde finden?' (Lukas 18,8). Wir sehen, dass dies wahr wird. Der Glaube an die Gottesfurcht, an das Gesetz der Gerechtigkeit, an Liebe und Arbeit ist verschwunden" [7].

 

Wir müssen jedoch Übertreibungen vermeiden, denn die Sehnsucht nach der Wahrheit ist keine Sehnsucht nach der Vergangenheit und Verurteilung der Gegenwart. In der Tat präsentieren sich einige christliche Gemeinschaften oft als Verteidiger der Tradition und predigen die ontologische Überlegenheit dessen, was früher war. Dies führt oft zu einer Ablehnung von Veränderung, Innovation und Modernität. Christus wurde jedoch nicht von relativistischen Postmodernisten gekreuzigt, sondern von Verteidigern der Tradition. Der Teufel wurde zum Fürsten dieser Welt (vgl. Joh 12,31; 14,30-31; 16,7-11), lange vor der französischen oder russischen Revolution, dem Totalitarismus des zwanzigsten Jahrhunderts oder der aggressiven zeitgenössischen Gottlosigkeit.

 

Propaganda ist so alt wie unsere Welt, und die sowjetischen ideologischen Märchen waren nicht "wahrer" als ihre modernen russischen Versionen. Gregor von Nyssa schrieb über das Böse, das vom Bild des Guten angezogen wird ("die Natur scheint gemischt zu sein: sie hat eine Art verborgene Zerstörung, als ob sie eine verborgene Täuschung wäre, und durch ihren trügerischen Schein gibt sie vor, eine Art von Gut zu sein") [8]. Das Gleiche finden wir bei Thomas von Aquin (malum sub ratione boni - "das Böse unter dem Deckmantel des Guten") [9].

 

Jede Ära bringt jedoch ihre eigenen Besonderheiten mit sich, und die heutige Zeit, die gemeinhin als Post-Truth-Ära bezeichnet wird, hat zumindest eine radikale Veränderung mit sich gebracht: "Fake News sind nicht ganz Post-Wahrheit. Denn wenn du lügst, verlangst du immer noch ein gewisses Maß an Wahrheit... Aber die Post-Wahrheit liefert überhaupt keine Argumente. Ihr Hauptmerkmal ist nicht, dass sie eine Lüge oder eine Fälschung ist, sondern dass sie der Wahrheit gegenüber völlig gleichgültig ist" [10].

 

"Im Allgemeinen ist das sogar noch problematischer, denn wenn man die Unterscheidungskriterien zwischen Wahrheit und Irrtum zerstört hat, wenn es einem egal ist, wie sie sich unterscheiden, ist das Wichtigste eine schöne Geschichte... 'Wahrheit' (die Zustimmung der Mehrheit) wird wichtiger als 'Wahrhaftigkeit' (Übereinstimmung mit der Realität)" [10].

 

Im ukrainischen Kontext wird die Situation durch eine weitere grundlegende Tatsache verschärft. Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen der westlichen Verwendung des Begriffs "Post-Wahrheit" und seinem slawischen Gegenstück. Seit dem ersten Gesetzbuch aus der Zeit Jaroslaws des Weisen bedeutet "Wahrheit" für uns neben veritas auch "Recht" (in den slawischen Sprachen stammen diese Wörter von derselben Wurzel ab, ebenso wie "Gerechtigkeit" und sogar "Pflicht"). Die westliche Diskussion über die Ablehnung von Wahrheit/Veritas impliziert nicht die Ablehnung von Recht/Jus. Aber für uns ist "Post-Wahrheit" ein Synonym für "Gesetzlosigkeit", "Post-Gesetz" und "Post-Gerechtigkeit". Wenn wir diesen Weg einschlagen, werden das Wesen und die institutionellen Grundlagen unserer Gesellschaft zerstört. Daher erstreckt sich der Schaden auch auf den Bereich der Rechtsstaatlichkeit, der ohnehin schon schwach ist. Seit der Zeit von Schewtschenko und Drahomanow ist die Erinnerung an die biblische Verbindung von Wahrheit und Gerechtigkeit das Leitmotiv unserer Kultur. Diese Verbindung zu vergessen, wäre ein gefährlicher Virus für unsere Gesellschaft [11].

 

Die Verwirrung, die durch die Unfähigkeit entsteht, zwischen Wahrheit und Irrtum zu unterscheiden, ist eine große Versuchung für den Feind. Mächtige Institutionen setzen riesige Budgets ein, um bewusst Wahrheit und Unwahrheit zu vermischen. Sobald ein vielversprechendes Phänomen auftaucht, diskreditieren die Mächte des Bösen es sofort mit verlogener Werbung oder indem sie einen parallelen, bösen Zwilling erschaffen, um zu verwirren und zu verunsichern. Unsere Zeit ist also durch eine aktive Offensive des Bösen gekennzeichnet, deren Ziel einfach ist: Unordnung zu stiften. Denn wenn man von einem Mischmasch aus Gut und Böse umgeben ist, für welchen Sieg soll man dann kämpfen? Und auf wen können sich die Menschen verlassen?

 

Diese Manipulationen verzerren den Informationsraum bis zur Unkenntlichkeit und bringen Menschen dazu, ihr Leben für das zu opfern, was sie für wahr halten, obwohl es in Wirklichkeit nicht die Wahrheit ist, für die sie sterben. Viele Menschen haben sowohl die Richtung als auch die Perspektive verloren. Das Bewusstsein als solches ist zerstört - und infolgedessen auch das persönliche und gesellschaftspolitische Leben der Menschen.

 

"Heute sehen viele derjenigen, die an der Spitze der Macht stehen, die reine Wahrheit als Bedrohung an. Sie fürchten sie. Sie leugnen sie. Und sie greifen sie an - so wie es einst die Kommunisten taten. Und so befinden wir uns inmitten einer Epidemie von Unehrlichkeit und einer endlosen Flut von Lügen." [12] Vor zwanzig Jahren wäre ein politischer Führer, der bei einer plumpen Lüge ertappt wurde, sofort zurückgetreten und für immer diskreditiert gewesen. Heute garantieren Lügen zunehmend politischen Erfolg und Wahlgewinne, und Politiker, die das praktiziert haben, haben ihren Geist begraben und fühlen sich nicht schuldig. Darüber hinaus werden selbst entwickelte Demokratien unempfindlich gegenüber unverhohlenen Lügen. Jeremias Worte sind wahrhaft prophetisch: "Es ist etwas Entsetzliches und Schreckliches im Lande geschehen: Die Propheten weissagen falsch, und die Priester herrschen nach ihrer Pfeife; mein Volk liebt es, dass es so ist" (Jer. 5:30-31)!

 

Die Situation hat sich weit über das Privatleben hinaus entwickelt. In einem Umfeld allmächtiger Lügen wird es unmöglich, die Aufgaben des Staates effektiv zu erfüllen. Entscheidungen von Regierungen oder Wählern, die auf geschickt verzerrten Informationen beruhen, sind falsch, weil sie nicht auf einer realen Situation beruhen. In den Augen der Eliten wird das Licht der Wahrheit immer schwächer, und dieses Licht kann die Grenze zwischen Gut und Böse nicht mehr genau unterscheiden: Es ist unmöglich, in der Dunkelheit Flecken zu erkennen. Infolgedessen häufen die Gesellschaften immer mehr Fehler an, wodurch das interne und internationale Misstrauen zunimmt, was schließlich zu einem großen Fehler, wie einem neuen Weltkrieg, führen könnte.

 

Diese Gefahr ist durchaus real. Die Senkung der Schwelle für Lügen führt unweigerlich zu einer Senkung der Schwelle für Hassreden. Daher sind Lügen nur schwer mit logischen Argumenten zu überwinden, denn sie werden durch einen Hass verstärkt, gegen den die Logik machtlos ist. Lügen und Hass sind ein Antrieb für Gewalt, und zusammen treiben sie die Menschheit immer weiter in den Abgrund.

 

Kapitel II. Weltliche Lösungen 

Die säkulare Welt sieht diese Bedrohungen, und wir sollten den mutigen politischen und öffentlichen Persönlichkeiten, die in dieser schwierigen Zeit für Frieden und Sicherheit sorgen, dankbar sein. Die Ukrainerinnen und Ukrainer sind sich besonders bewusst, dass die Ukraine ohne das derzeitige System der Sicherheit und der in die internationale Ordnung eingebetteten Werte nicht in der Lage wäre, ihre Unabhängigkeit zu bewahren.

  

Doch gerade weil in der heutigen globalisierten Gesellschaft alle Völker so sehr voneinander abhängig sind, sollten wir genau auf die Stresspunkte achten, die die Schwächung der Weltordnung verursachen. Wie so oft sind diese Schwächen das Gegenteil der Stärken unserer Zivilisation. Manchmal macht die Überzeugung der Regierenden von ihrem gewählten Weg sie blind für ihre eigenen Fehler, wenn sie von den Wahrheiten des Lebens abschweifen. Diese Fehler zeigen sich auf zwei Arten.

 

Die "Legitimität aller Standpunkte"-Falle: Die Wahrheit gehört nicht allen 

Im Laufe ihrer Entwicklung hat die westliche Welt eine klassische Methode zur Definition von Wahrheit entwickelt, bei der Objektivität und Unparteilichkeit grundlegende Kriterien sind. Doch die Zeiten haben sich geändert.

 

Nach den heutigen Regeln ist niemand der Träger der absoluten Wahrheit in politischen und moralischen Angelegenheiten, und die Wahrheit, die jeder von uns hat, ist relativ. Deshalb gibt es keine "Wahrheit" und keine "Lüge" - es gibt nur unterschiedliche Sichtweisen. Zu sagen, dass etwas eine Lüge ist, bedeutet, ein moralisches Urteil zu fällen. Dieses Urteil ist angeblich nicht unparteiisch. Es ist unmöglich, einen Lügner beim Namen zu nennen, denn das verstößt gegen die Regeln der politischen Korrektheit. Deshalb ist die Wahrheit eine "goldene Mitte" zwischen verschiedenen Meinungen.

 

Dieses System funktioniert so lange gut, wie sich alle an die Spielregeln halten. Aber das Aufkommen von bewussten Lügnern, die Propaganda und Fake News produzieren, zerstört dieses System leicht.

 

Wie reagiert die moderne Welt darauf? Sie tut Fake News nur selten als falsch ab. In den meisten Fällen werden gefälschte Informationen (vor allem, wenn sie mit wahren Fakten vermischt sind) als Meinung und Standpunkt betrachtet und sind daher ein gültiger Bestandteil bei der "Ableitung" der Wahrheit als goldene Mitte. Natürlich ist eine auf diese Weise "berechnete" Wahrheit Lichtjahre von der tatsächlichen Wahrheit entfernt. Der demokratische Pluralismus, der unterschiedliche politische Positionen, Ansichten und Meinungen toleriert, wurde zu einem gültigen Maßstab für die Wahrheitsfindung umfunktioniert.

 

Das ist die Schlussfolgerung vieler zeitgenössischer Forscher. Doch mit der Akzeptanz dieser Relativität - es gibt keine Wahrheit, die der Realität entspricht, sondern nur eine "Wahrheit", auf die sich die Mehrheit geeinigt hat [10] - unterstützt die Menschheit ihre eigene Verantwortungslosigkeit, da sie die Wahrheit zur kollektiven Zerstörung verurteilt.

 

Um aus dem Teufelskreis der Post-Wahrheit herauszukommen, müssen wir zwei Dimensionen erkennen. Auf der einen Seite müssen wir in den Beziehungen zwischen Menschen und Gemeinschaften erkennen, dass keine Person oder Gruppe der Träger der letzten Wahrheit ist. Hier hat uns die Postmoderne einen großen Dienst erwiesen. Andererseits muss der aggressive Relativismus das Chaos anerkennen, das er verursacht hat, und die vertikale Dimension muss in das Leben der Welt zurückgebracht werden, nämlich die Erkenntnis, dass die absolute Wahrheit existiert. Sie ist in der DNA unserer Zivilisation verschlüsselt, und eine weitere Zerstörung dieses Codes wird zur Zerstörung der Welt führen.

 

Wir sehen keinen anderen Ausweg aus der Situation, als einen Post-Post-Wahrheits-Diskurs zu formulieren und zu einer ethischen Dimension zurückzukehren - insbesondere zu einer ethischen Bewertung von Wahrheit und Lüge. Das Problem wird nur dadurch gelöst, dass eine Fälschung ausdrücklich als Lüge anerkannt und der Produzent der Lüge mit moralischen und materiellen Sanktionen belegt wird. Dies erfordert eine grundlegende Umgestaltung der von der modernen Welt postulierten Sichtweise. Diese Sichtweisen wurden entwickelt, um moderne Krisen zu überwinden; aber heute müssen sie neu überdacht werden, weil sie neue Krisen verursachen.

  

Für einen Gläubigen kann diese Rückbesinnung auf die ethische Dimension durch den Spruch "Lasst uns die Waffen des Lichts anziehen" (Röm. 13:12) vermittelt werden. Das zeigt unsere Überzeugung, dass Gott jede menschliche Generation mit den richtigen Algorithmen ausstattet, um die Wahrheit zu erkennen, und wir müssen diese Prozesse in unserem Leben finden und uns von ihnen leiten lassen.

 

Ein Christ oder eine Christin, der oder die im Einklang mit Gott lebt, der oder die in der Gnade Gottes steht, kultiviert die Fähigkeit, negative Botschaften zu stoppen und nicht zu verbreiten. Er oder sie versteht, wo positive Aussagen enden und wo Klatsch und Tratsch beginnen. Dieser Klatsch wird vom Teufel benutzt, um eine Person aus dem Licht zu vertreiben, was zum moralischen Verfall der Gesellschaft führt.

 

Die "Sicherheits"-Falle:

Der Verlust der Wahrheit führt zu einem Verlust der Sicherheit

Die Tragödie unserer Zeit ist die Tatsache, dass wir keinen Ausweg aus einem scheinbar unüberwindbaren Dilemma finden. Auf der einen Seite geben viele westliche Politiker zu, dass die internationale Ordnung zerbrochen ist und die richtigen zivilisatorischen Werte beiseite geschoben wurden. Diese Politiker sind jedoch nicht bereit, das System und die Werte entschlossen zu verteidigen, weil sie glauben, dass eine offene Konfrontation mit den Verletzern mit ziemlicher Sicherheit einen Dritten Weltkrieg auslösen wird.

 

Bisher hat die westliche Zivilisation nur einen Ausweg gefunden, indem sie so getan hat, als ob sie die zynische Tyrannei der Weltordnung nicht sehen würde, um einen Krieg zu verhindern und den Anschein von Frieden zu wahren. Deshalb werden Werte wie Wahrheit, Liebe, Mitgefühl, Freiheit, Würde, Ehre und andere moralische Grundsätze immer mehr zu einem Luxus, der den eigenen Fortschritt behindert. Diese Werte stehen Regierungen im Weg, wenn sie versuchen, Entscheidungen aus politischer oder situativer Zweckmäßigkeit zu treffen. Deshalb sind selbst die moralischsten Regierungen heute manchmal gezwungen, Wertmotivationen zu ignorieren, besonders wenn Sicherheitsargumente im Vordergrund stehen.

 

Doch genau das ist die Falle: Das Ignorieren von Werten bringt so viel Unruhe in das Leben der Welt, dass genau das, was sie schützen wollen - die Sicherheit - bedroht ist. In dieser Situation ist es unmöglich, die Formel von Jesus nicht zu erwähnen: "Wer sein Leben findet, wird es verlieren, und wer sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden" (Mt. 10,39).

 

Wir sind uns bewusst, dass das Dilemma "Werte vs. Sicherheit" nicht einfach zu lösen ist, und deshalb zögern wir, die heutigen Politiker/innen zu hart zu verurteilen. Wir wissen aber auch, dass "künstlicher Frieden keine positiven Ergebnisse bringen wird. Die internationale Ordnung kann nicht durch die Zusammenarbeit von Nationen wiederhergestellt werden, die die internationale Ordnung verletzen. Außerdem sollte die Verletzung von Regeln kein Grund sein, das internationale Recht zu ändern. Unsere Haltung gegenüber Rechtsbrechern muss sich ändern... Europas taktische Trägheit hat sich bereits als unwirksam erwiesen und stellt eine ständige Bedrohung dar" [13].

 

Unserer Meinung nach liegt die grundlegende Lösung für das Sicherheitsdilemma also nicht in der politischen, sondern in der Werte-Sphäre. Zur Veranschaulichung: Als Europa in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts mit dem Virus der militärischen Macht und des nationalistischen Exzeptionalismus infiziert wurde, traten politische Führer auf, um diese Wünsche zu erfüllen, und verbreiteten dieselben Viren. Heute ist Europa (im Großen und Ganzen) mit den Viren des moralischen Relativismus, der situativen Täuschung und des gleichen nationalen Exzeptionalismus infiziert - und wieder treten politische Führer in den Vordergrund, um diese Viren zu verbreiten.

  

Das Grundproblem ist also ein Werteverfall, der zu falschen politischen Forderungen führt; dieser Verfall sollte unsere Reaktion bestimmen. Deshalb werden Versuche, Sicherheit auf Kosten von Werten zu gewährleisten, keine dauerhafte Wirkung haben: Verzerrte Werte werden zu Veränderungen der internationalen Ordnung führen, die noch gefährlicher werden.

 

Außerdem sollten wir bedenken, dass Werte dazu beitragen, Solidarität und eine gemeinsame Basis für positives Handeln zu schaffen, aber nur unter einer Bedingung: dass sie auf den unveränderlichen Geboten Gottes beruhen (vgl. Ex 20,1-17), wo einer der Grundwerte die Achtung der menschlichen Freiheit und Würde ist, die wiederum die Früchte der göttlichen Liebe sind.

 

Die Erfahrung der Ukraine: eine klare Konfrontation zwischen Wahrheit und Irrtum

Die Ukraine hat diese Konfrontation in den letzten Jahren erlebt, als sie sich gegen die russische Aggression verteidigte. Der Kreml hat weltweit einen gewaltigen Informationskrieg gegen unser Land geführt und dabei unser Streben nach Unabhängigkeit und das Wesen der demokratischen Prozesse in der Ukraine verzerrt. Die "faschistische Clique", "Nationalisten, die die Macht ergreifen" und "Unterstaatlichkeit" sind nur einige Beispiele für die Klischees, die der Kreml benutzt, um die Weltgemeinschaft zu verwirren.

 

Lügen sind jedoch nicht statisch; sie führen zu Hass. Wenn sie dir das Recht absprechen, zu existieren und dir selbst treu zu sein, führt das unweigerlich zu Hass und Aggression.

 

"[Putins Medien] produzieren keine Ideen, sondern Hass, und sie tun das sehr effektiv. Solovyov und Kiselev zu vergleichen, um zu sagen, wo sie wieder gelogen haben, ist sinnlos..." [14]. "Ein noch nie dagewesenes Regime, das in der Russischen Föderation errichtet wurde, ist ohne Hass einfach nicht denkbar. Das ist der geistige 'Haken', an dem seine Macht hängt, und die ganze Geschichte von Putins Russland ist eine Geschichte des geschickt gelenkten Hasses auf verschiedene Menschen, soziale Gruppen, Länder und Völker" [15]. Die Ukrainer sind eine der ersten Zielscheiben dieses Hasses.

 

Hass führt unweigerlich zu Aggression. Russland hat gegen viele internationale Abkommen verstoßen und unter Missachtung des Vertrags über Freundschaft und Zusammenarbeit mit der Ukraine sowie des Budapester Memorandums die Krim annektiert und einen Teil des ukrainischen Territoriums besetzt. Dafür hat der Kreml seine neuesten schlauen Erfindungen wie "kleine grüne Männchen" und "sie sind nicht da" eingesetzt. So schließt sich der Kreis, denn Aggression und Gewalt führen unweigerlich zu den Lügen, mit denen sich das Putin-Regime aus der Verantwortung stehlen will. So wird dieses Regime wie die Spottdrosseln bei Jesaja, die "die Lüge zu ihrer Zuflucht gemacht und sich in der Lüge versteckt haben" (vgl. Jes 28,15).

 

Wenn es darum geht, die List und Täuschung des derzeitigen russischen Regimes zu beschreiben, können wir uns nicht mit der politisch korrekten Sprache anfreunden, die der Westen bevorzugt, denn dadurch entfernen wir uns von der Wahrheit. Die Welt muss sich dafür entscheiden, eine Bedrohung bei ihrem wahren Namen zu nennen, denn das ist die Logik der Gerechtigkeit und der geistigen Sicherheit: "Du sollst deinen Bruder nicht in deinem Herzen hassen, sondern du sollst mit deinem Nächsten vernünftig umgehen, damit du nicht seinetwegen Sünde trägst." (Lev. 19:17). Dem Kreml keine Vorwürfe wegen der Informationsaggression zu machen - oder ihn nur mit "tiefer Besorgnis" zu tadeln - bedeutet, seine Sünde zu tragen, d.h. die Verantwortung für dieses Verbrechen mitzutragen; denn ohne Vorwürfe lässt du den Verbrecher gewähren.

 

Kapitel III: Lösungen für christlichen Gemeinschaften 

Nachdem wir zu unserem heutigen Hauptproblem gekommen sind - dem Mangel an einer geistlichen Alternative zu einem arroganten und triumphierenden Teufel - müssen wir unseren Blick auf die Kirche Christi richten. Deshalb müssen wir die Frage stellen: "Wie würde Jesus dieser zivilisatorischen Bedrohung entgegentreten? Was würde er den Menschen in dieser besonderen Zeit sagen?"

 

Wir sind der Kirche dankbar für ihre Versuche, uns die geistlichen Wegweiser zu zeigen, die es uns ermöglichen, den richtigen Weg zu erkennen. Wer guten Willens ist, hört auf den Ruf der Kirche. Die Spiritualität der heutigen Welt verfällt jedoch zu schnell, als dass die Kirche angemessen darauf reagieren könnte. Deshalb muss sich das Volk Gottes fragen, warum sein Zeugnis für diejenigen, die "außerhalb der Herde" stehen, so wenig überzeugend ist.

 

Im Folgenden finden Sie einige Vorschläge, die unsere Schlussfolgerung veranschaulichen.

 

Die "Wahrheitsbesitz"-Falle

Es gibt Kirchengemeinden, in denen "Wahrheit" eine kalte ideologische Formel ist und keine leidenschaftliche Liebe. Das ist eine Art von Christentum, das sich von den Prinzipien der Demokratie abwendet und im Fundamentalismus gefangen ist. Für solche Christen ist die "Wahrheit" ein Schwertstreich, mit dem sie Wunden schlagen, und kein heilender Balsam. Eine solche "Wahrheit" erhebt die Gemeinschaften auf einen Gipfel des Stolzes, der die Grausamkeit hervorbringt, "die letzte Wahrheit zu besitzen". "Wir sind alle grausam, und besonders grausam, wenn wir Recht haben" [16].

 

In diesen Gemeinschaften haben die Menschen das ständige Bedürfnis, Schuld zuzuweisen; ihre Aufgabe ist es, den Sünder bloßzustellen und zu verurteilen. Für sie ist die Kirche eine legitime Spielwiese, von der aus sie mit Donnerschlägen auf tatsächliche oder eingebildete Täter losgehen und so ihren geistigen "Hunger" stillen können. Das zeigt deutlich, wie wichtig die mahnenden Worte Jesu sind: "Richtet nicht, und ihr werdet nicht gerichtet werden; verurteilt nicht, und ihr werdet nicht verurteilt werden; vergebt, und euch wird vergeben werden" (Lukas 6,37).

 

Allzu oft haben solche Christinnen und Christen mit ihren Anschuldigungen inhaltlich recht, aber es ist die Wahrheit eines donnernden Richters, der keinen Zweifel an seiner eigenen Sündlosigkeit hat. Eine Gerechtigkeit, die nur den Zorn und den Mangel an Liebe kaschiert, hört jedoch auf, Gottes Wahrheit zu sein. Das ist der Fehler aller christlichen Fundamentalisten, die versuchen, einen Ausweg aus der Krise zu finden, die wir erleben, wenn die Demokratie als Gesellschaftsordnung in eine Ideologie verwandelt wird. Es ist unmöglich, eine richtige Lösung zu finden, wenn wir ins entgegengesetzte Extrem gehen, wenn wir der ultraliberalen Ideologie eine Ideologie des christlichen Fundamentalismus entgegensetzen. Die Wahrheit liegt in der Mitte, wo sich die Ideologie im Glauben auflöst. Hier werden die vier Prinzipien einer gerechten Gesellschaft hochgehalten: Achtung der Menschenwürde, Solidarität, Subsidiarität und das Gemeinwohl.

  

Die "Political Correctness"- oder "Dialog um jeden Preis"-Falle 

Andere Kirchengemeinschaften gehen in das andere Extrem - das der politischen Korrektheit. Im Allgemeinen teilen sie zu Recht die Warnung der modernen säkularen Kultur, Gegner nicht zu dämonisieren. "Den Wahrheitsgehalt von Aussagen kann man an ihren Früchten erkennen: ob sie Kontroversen auslösen, Streit entfachen, Distanz einflößen oder umgekehrt - zu bewusster und reifer Reflexion, zu konstruktivem Dialog, zu nützlicher Aktivität führen" [6].

 

Doch nicht jede Wunde, die durch das Wort der Wahrheit zugefügt wird, bedeutet einen Mangel an Liebe - manchmal ist das Gegenteil der Fall. Der Herr liebte den Apostel Petrus, nannte ihn einen Felsen und versprach: "Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen" (Mt. 16,18). Doch er war es auch, der Petrus, als er um das Leben Jesu besorgt war, sagte: "Geh hinter mich, Satan! Denn du stehst nicht auf der Seite Gottes, sondern auf der Seite der Menschen" (Mk 8,33). Haben diese Worte den angeschlagenen Apostel nicht verletzt? Könnten wir die Worte Jesu nicht als eine direkte "Dämonisierung" des Apostels bezeichnen? Und war diese "Dämonisierung" nicht in Wirklichkeit eine Manifestation der Liebe?

 

Die neueste Formel im zwischenkirchlichen Dialog - "darüber reden, was verbindet" - ist ein wirklich mächtiges Werkzeug, wenn die Dialogpartner wirklich nach der Wahrheit suchen. Wenn der Dialog jedoch von einigen Teilnehmern wissentlich missbraucht wird, bedeutet dies in Wirklichkeit, "nicht die Wahrheit zu sagen, um eine scheinbare Übereinstimmung zu erreichen". Aber kannst du dir vorstellen, dass Christus dem Sanhedrin gegenüber nicht die ganze Wahrheit gesagt hat, um eine scheinbare Einigung zu erzielen? Und war die pointierte Haltung Jesu eine Störung des Dialogs? Nein, es war eine Einladung, einen Dialog in Wahrheit zu führen. Wenn wir das anders sehen, geht es uns wie Judas, der Jesus dazu überreden wollte, ein böses Abkommen mit den Mächtigen dieser Welt zu schließen.

 

Es sollte besonders darauf geachtet werden, dass die Formel "Dialog um jeden Preis" dem Dialog selbst oft schadet. Denn wenn ein skrupelloser Teilnehmer des Dialogs weiß, dass er oder sie auf jeden Fall engagiert wird, wird die Versuchung, den Dialog für größere Eigeninteressen zu missbrauchen, unüberwindlich.

 

Dank politischer Korrektheit und dem aufrichtigen Glauben an einen Dialog, der auf dem Win-Win-Prinzip beruht, ist es möglich, unnötige Konflikte immer wieder zu vermeiden und den Raum für eine mögliche Einigung offen zu halten. Aber es gibt eine entscheidende Bedingung: All dies muss um der Wahrheit willen geschehen, nicht auf Kosten der Wahrheit durch ihre Unterdrückung oder Verzerrung, denn ein echter Dialog ist nur in der Wahrheit möglich.

  

Die "Sicherheits"- und "Friedens"-Falle

Kirchengemeinden zögern oft, autoritäre Regime, die Böses tun, zu verurteilen, weil sie befürchten, dass dies zu einer stärkeren Verfolgung ihrer Gläubigen führen wird. In diesem Fall sagt die Kirche nicht die ganze Wahrheit, um die Diktatoren nicht zu verärgern. Das führt manchmal zu Zugeständnissen an Diktatoren, die der christlichen Lehre widersprechen.

 

Es stimmt, dass Diktatoren das Wort der Wahrheit nicht mögen und sich dafür rächen wollen - das wissen wir schon seit den Tagen von König Herodes und Johannes dem Täufer. Doch Diktatoren brauchen die Wahrheit am meisten, denn sie ist es, die, auch wenn sie verwundet, heilt. Sie zwingt Diktatoren (und die ganze Gesellschaft) dazu, ihr Gewissen zu prüfen - das gleiche Gewissen, das sie unterdrückt haben. War das nicht die große Mission eines Dissidenten aus der Sowjetzeit?

 

Außerdem war es Jesus, der in seiner Bergpredigt sagte: "Selig sind die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und euch allerlei Böses nachsagen, das falsch ist. Freut euch und seid fröhlich, denn euer Lohn ist groß im Himmel; denn so haben die Menschen die Propheten verfolgt, die vor euch waren" (Mt. 5,10-12). Mit anderen Worten: Jeder, der ein treuer Jünger der Kirche ist und versucht, die Wahrheit Christi ins Leben zu bringen, wird unweigerlich in Konflikt mit der Welt der Gewalt und des Irrtums geraten und muss auf diesen Konflikt vorbereitet sein!

 

Für einen Christen ist das Leiden für Christus - das heißt das Leiden für die Wahrheit - auch für das christliche Zeugnis wichtig: "Dies wird eine Zeit sein, in der ihr Zeugnis ablegen werdet" (Lukas 21,13). Denn durch dieses Zeugnis wird die Wahrheit über Christus bekräftigt!

 

Nicht weniger bedeutsam sind die Worte Jesu: "Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, aber die Seele nicht töten können; fürchtet euch vielmehr vor dem, der Leib und Seele in der Hölle verderben kann" (Mt. 10,28). Das Ziel ist nicht, dass die Kirche Menschen in ein ungerechtfertigtes Martyrium treibt, sondern dass sie den Menschen hilft, zuerst das Reich Gottes zu suchen, das mit Ungerechtigkeit unvereinbar ist. Welche Art von Leid ein Mensch dadurch erfährt, ist eine Sache der Vorsehung des Herrn. Dabei kann die Kirche mit Diktatoren verhandeln, um die Leidenden zu befreien, aber sie kann die Wahrheit nicht an Diktatoren ausliefern.

 

Die oben genannten kirchlichen Gemeinschaften glauben, ähnlich wie die ganze Welt in Fragen der internationalen Sicherheit, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt zu reagieren: (1) eine Rückkehr zur Logik der Feindseligkeit oder (2) ein tatsächlicher Kompromiss mit dem Bösen, um einen zerbrechlichen Frieden und die Illusion des Dialogs zu bewahren. Diese Gemeinschaften entscheiden sich für eine der beiden Möglichkeiten und vergessen dabei, dass es einen dritten Weg gibt: die Bekräftigung der Wahrheit in der Sprache der Liebe, und zwar dann, wenn die Wahrheit befreiend ist (vgl. Joh. 8,32). Das heißt, Christen haben nicht die Wahl, die Wahrheit zu sagen oder nicht. Die Entscheidung liegt darin, wie sie die Wahrheit sagen: ob sie die Wahrheit mit Hass auf den Sünder oder aus Liebe zur Wahrheit selbst sagen.

 

Wahrheit und Liebe sind voneinander abhängig. Ein Mangel an Liebe schafft Raum für Täuschung und Lügen, die ein gegenseitiges Verständnis unmöglich machen. Umgekehrt verhindert das Blockieren oder Ignorieren der Wahrheit die Freisetzung der Liebe, die zur Vergebung führt. In beiden Fällen wird wahre Versöhnung unmöglich.

 

Wir Christen haben keine einfache Schablone, mit der wir feststellen können, ob wir richtig handeln. Aber bei unserem Streben nach Sicherheit und Frieden müssen wir bedenken, dass "Frieden eine Folge von Gottes Ordnung ist... Frieden ist nicht das Fehlen von Krieg, sondern ein positives Konzept an sich... Gottes Frieden ist nicht mit dem Bösen vereinbar! Man kann die Sünde nicht tolerieren und von Gottes Frieden sprechen. Gottes Frieden ist immer die Frucht des Verzichts auf das Böse und der Vereinigung mit Gott. Zu dieser klaren Entscheidung ruft Jesus mit seinen Worten der Trennung auf (Lukas 12,51). Entweder stehen wir auf der Seite Gottes oder wir haben uns für die Seite des Bösen entschieden..." [17].

 

Die Worte des Apostels regen zum Nachdenken an: "Denn wir kämpfen nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen Fürstentümer, gegen Mächte, gegen Weltbeherrscher dieser gegenwärtigen Finsternis, gegen geistliche Heerscharen der Bosheit in den himmlischen Örtern. Darum nehmt die ganze Waffenrüstung Gottes, damit ihr in dem bösen Tag bestehen könnt, und wenn ihr alles getan habt, steht. So steht nun, indem ihr eure Lenden mit Wahrheit umgürtet und den Brustpanzer der Gerechtigkeit anlegt und eure Füße beschuht mit dem Zeug des Evangeliums des Friedens" (Eph 6,12-15).

 

Herrscher, die der Finsternis angehören, schaffen eine Welt voller Bosheit, Ungerechtigkeit und Unfrieden. In einer solchen Welt kann es keinen wirklichen Frieden geben und Versuche, solche Herrscher zu besänftigen, werden nicht das gewünschte Ergebnis bringen. Sie müssen bekämpft werden; die Frage ist nur, wie man diese Herrscher bekämpft. Mit Gegenhass zu kämpfen ist inakzeptabel, denn dann nähren wir in uns selbst denselben "Geist der Bosheit" und würden uns nicht von der Finsternis unterscheiden. Deshalb sollten Christen einen Frieden predigen, der auf Wahrheit und Gerechtigkeit beruht: "Dies sind die Dinge, die ihr tun sollt: Redet einander die Wahrheit, richtet in euren Toren, was wahr ist, und stiftet Frieden" (Sach 8,16).

  

Kapitel IV: Auf der Suche nach der befreienden Wahrheit 

In diesem Kapitel beantworten wir die folgenden Fragen: Was ist die Wahrheit, die uns befreit? Wie können wir den Lügen, die in die Köpfe der Menschen eindringen, entgegenwirken? Und schließlich: Wie sollten wir mit einem Betrüger umgehen, der Lügen sät?

  

Die befreiende Wahrheit ist ein Weg 

"In Zeiten von Relativismus, Post-Wahrheit und Fake News suchen die Menschen nach Wahrheit und Gewissheit. Aber vergessen wir nicht, dass Jesus, als er von Pilatus gefragt wurde: "Was ist die Wahrheit?", schwieg und keine Definition oder einfache Antwort gab. Er selbst war die Antwort - seine Persönlichkeit, sein Leben, die seltsamen, manchmal schockierenden Gleichnisse, die er erzählte. Jesus zeigte, dass die Wahrheit nur dann wahr sein kann, wenn sie sowohl der Weg als auch das Leben ist. Was wir brauchen, ist das Zeugnis der Wahrheit - authentische, lebendige Wahrheit ist immer sowohl ein Weg als auch ein Leben. Die Wahrheit kann nicht von der Dynamik der menschlichen Existenz getrennt und in ein Glaubenssystem eingesperrt werden. Die Wahrheit, die aufhört, ein Weg zu sein und sich vom Leben entfernt, hört auf, die Wahrheit zu sein." [18]

 

Mit anderen Worten: Wenn eine Lüge alles zerstört, was sich ihr in den Weg stellt, kann die Rettung nur in der Entstehung einer "kritischen Masse" von Wahrheitsverkündern bestehen, die die Wahrheit bezeugen und sie durch ihre Lebenspraxis ausdrücken und bekräftigen.

 

"Das beste Gegenmittel gegen die Lüge ist keine Strategie, sondern Menschen: Menschen, die frei von geistigem Durst sind, die bereit sind, zuzuhören und die Wahrheit durch einen echten Dialog ans Licht kommen zu lassen; gutmütige Menschen, die ihre Sprache verantwortungsvoll einsetzen" [6].

 

Die Dominanz der Sünde darf nicht dazu führen, dass der Glaube an den Sieg des Guten verloren geht. Diese Schlussfolgerung ergibt sich aus den Worten des Apostels Paulus: "Wo aber die Sünde zugenommen hat, da ist die Gnade umso mehr gewachsen" (Röm. 5:20). Eine Zunahme der Sünde würde bedeuten, dass es irgendwo in ihrem unsichtbaren Epizentrum eine enorme Zunahme der Gnade gibt. Deshalb wird die allgegenwärtige und scheinbar alles besiegende Entropie (Wachstum des Chaos) durch die Schaffung einer neuen Ordnung überwunden.

 

Psychologisch ist diese Zeit sehr schwer zu ertragen, denn das Böse scheint allmächtig und unbesiegbar zu sein. Deshalb schreien besorgte Stimmen zu Gott: "Gerecht bist du, Herr, wenn ich bei dir klage; doch ich möchte meinen Fall vor dich bringen. Warum gedeiht der Weg der Bösen? Warum gedeihen alle, die verräterisch sind?" (Jer. 12:1). Diese Sorge muss jedoch durch die Erkenntnis gemildert werden, dass hinter dem derzeitigen Bacchanal des Satans eine von Gott an einem unsichtbaren Ort geschaffene neue Lösung für die Welt steht - eine neue, wiedergeborene Wahrheit, die einer neuen Ordnung zugrunde liegt. Unsere Aufgabe als Christinnen und Christen ist es, bei der Schaffung dieser neuen Ordnung mitzuwirken.

 

Wie können wir den Kampf gegen die Industrie der Lügen gewinnen

Die Selbstzerstörung der Lüge

Viele von uns haben schon geahnt, dass sich die Lüge und das Böse im Allgemeinen unkontrolliert vermehren und dann unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbrechen. In der Bibel gibt es viele Hinweise darauf. In den Sprüchen Salomos werden wir daran erinnert, dass "die Bosheit den Sünder umwirft" (13,6). Mit anderen Worten: Die Ursache für die Niederlage des Sünders ist das Böse (einschließlich des Irrtums) selbst.

 

Dem heiligen Augustinus von Hippo werden die Worte zugeschrieben: "Die Wahrheit ist wie ein Löwe; du brauchst sie nicht zu verteidigen. Lass sie los; sie wird sich selbst verteidigen." Dahinter steckt die Überzeugung, dass Lügen irgendwann unter dem Gewicht ihrer eigenen Erfindungen zusammenbrechen: "Die Welt steht auf Wahrheit; die Ordnung des Kosmos, der Gesellschaft, der Familie und die innere Ordnung des Menschen beruhen auf dem, was die Arier Rita nannten, die Ägypter Maat, die Griechen Dike und wir, die Slawen, Pravda (wahr). Ohne diese Entsprechung beginnt der Kosmos zusammenzubrechen und wird um den Lügner herum schnell zu Staub. Sowohl der Lügner als auch diejenigen, die wie er sind, sterben." [19]

 

In der heutigen Zeit hat nichts die Gültigkeit dieser Worte so anschaulich bestätigt wie der Zusammenbruch eines Kolosses mit tönernen Füßen - der Sowjetunion. Die Lügen hinter der offiziellen Doktrin wurden unerträglich, und mit einem Schlag brach alles zusammen. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir passiv bleiben können. Im Gegenteil, es müssen Zeugen der Wahrheit auftauchen, damit die Lüge aufgedeckt werden kann.

  

Gott vernichtet die Lüge

Im Alten Testament wird das Böse, das eine Täuschung ist, von Gott aktiv zerstört: "Warum rühmst du dich, du Mächtiger, Unheil zu stiften an den Frommen? Den ganzen Tag schmiedest du einen Plan zur Zerstörung. Deine Zunge ist wie ein scharfes Rasiermesser, du Arbeiter des Verrats. Du liebst das Böse mehr als das Gute, und die Lüge mehr als die Wahrheit. Du liebst alle Worte, die verzehren, du trügerische Zunge.Aber Gott wird dich für immer zerbrechen; er wird dich aus deinem Zelt reißen und dich aus dem Land der Lebenden entwurzeln." (Ps. 52,1-5). Oder: "Denn du bist kein Gott, der sich an Ungerechtigkeit erfreut; das Böse darf nicht bei dir weilen. Die Hochmütigen dürfen nicht vor deinen Augen stehen; du hasst alle Übeltäter. Du vernichtest die, die Lügen reden; der Herr verabscheut blutrünstige und betrügerische Menschen." (Ps. 5,4-6).

 

Allerdings sollte man die Eigenheiten dieser biblischen Sprache nicht vergessen: "Immer wenn es um den Zorn Gottes und die göttliche Rache geht, bezieht sie sich speziell auf solche Handlungen zwischen Menschen, durch die sich die Täter gegenseitig bestrafen... Gewalt wird immer von Menschen verübt" [20]. Mit anderen Worten: Gott straft die Menschen, indem er sie die Folgen ihres eigenen Handelns tragen lässt: "Seht, ihr alle, die ihr ein Feuer entfacht, die ihr Felder anzündet! Geht mit dem Licht eures Feuers und mit den Brandzeichen, die ihr angezündet habt! Das sollt ihr von meiner Hand bekommen: Ihr sollt euch in Qualen niederlegen." (Jes. 50:11).

 

Auch in der christlichen Gebetstradition ist die aktive Form des göttlichen Handelns vorherrschend: "Und als guter Menschenfreund vergibst du Sünden und tilgst Ungerechtigkeit aus..." Dieselbe Form wird vom Autor des Buches der Offenbarung verwendet: "Und es wurde der große Drache hinabgeworfen, die alte Schlange, die man den Teufel und Satan nennt, den Verführer der ganzen Welt, und seine Engel wurden mit ihm hinabgeworfen auf die Erde. Und ich hörte eine laute Stimme im Himmel, die sagte: 'Jetzt ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes und die Macht seines Christus gekommen; denn der Verkläger unserer Brüder ist hinabgeworfen worden, der sie Tag und Nacht vor unserem Gott verklagt." (Offb. 12:9-10).

  

Die menschliche Beteiligung an der Überwindung der Täuschung

Wenden wir uns dem Text zur Überwindung der Lüge zu, den der Autor der Offenbarung verfasst hat: "Und sie haben ihn besiegt durch das Blut des Lammes und durch das Wort ihres Zeugnisses; denn sie haben ihr Leben nicht geliebt bis zum Tod" (Offb. 12:11). Wir sehen, dass der Sieg über Satan mit diesen drei "Waffen" erreicht werden kann.

 

(a) durch das Blut des Lammes

Mit anderen Worten: durch das Opfer Jesu, "den Gott durch sein Blut zur Sühne vorstellte, um ihn durch den Glauben zu empfangen. Dies geschah, um Gottes Gerechtigkeit zu zeigen, weil er in seiner göttlichen Nachsicht über frühere Sünden hinweggegangen war" (Röm. 3,25). Dieses Opfer ist von grundlegender Bedeutung für die Bestätigung der Wahrheit: "Er wird die Gerechtigkeit treu herbeiführen. Er wird nicht versagen und nicht verzagen, bis er das Recht auf Erden geschaffen hat." (Jes. 42,3-4).

 

Christus ist der "Lebensretter" für diejenigen, die in der Lüge versunken sind: "Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger, und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen." (Joh. 8:31-32). Wir kennen das Ende dieses Verses gut, aber im Kontext unseres Gesprächs ist der Anfangssatz grundlegend: "Wenn ihr in meinem Wort bleibt." Jesus ist die fleischgewordene Wahrheit, und deshalb ist der ständige Rückgriff auf sein Wort eine Voraussetzung dafür, die Wahrheit zu erkennen und befreit zu werden.

 

Diese Schlussfolgerung ist kein lehrmäßiges Hindernis für Menschen anderer Religionen. Auf die Gesellschaft angewandt, ist die wichtigste Botschaft Jesu eine Warnung vor Gewalt, Falschheit und Hass. Solange sich die Menschheit im Strudel dieser drei Naturen des Bösen befindet und sie als heilsbringend für ihre sozialen oder nationalen Interessen betrachtet, wird sie dem Teufelskreis nicht entkommen können. Die einzige Rettung besteht darin, den göttlichen Gegensätzen zu diesem Bösen zu vertrauen - Wahrheit, Liebe und Barmherzigkeit. Die Erfahrungen, die die Menschheit gesammelt hat, sind mehr als genug, um die Gültigkeit dieser Schlussfolgerung zu beweisen.

 

 

(b) durch das Wort ihres Zeugnisses

Das Wort "Zeugnis" bedeutet eine aktive Haltung zur Wahrheit und ist auf alle anwendbar: Jesus selbst, der von ihm gesandte Heilige Geist und alle Christen:  

"Dazu bin ich geboren und dazu bin ich in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen. Jeder, der in der Wahrheit ist, hört meine Stimme." (Joh 18,37).

 

"Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird von mir Zeugnis geben; und ihr seid auch Zeugen, weil ihr von Anfang an bei mir gewesen seid." (Joh. 15:26-27).

 

Das ist die Abfolge der Ereignisse. Nach seinem Weggang von dieser Erde bekräftigt der Herr die Wahrheit, indem er den Heiligen Geist sendet, der die Menschen zur Fülle der Wahrheit führt. Die Aufgabe der Menschen ist es, die in Christus verkörperte Wahrheit zu bezeugen, aber dazu muss man sein Herz für die Stimme des Heiligen Geistes öffnen: "Wenn dein Herz für die Frohe Botschaft des Heiligen Geistes verschlossen ist, wirst du nie die volle Wahrheit erreichen!... dein christliches Leben wird ein 50/50-Leben sein, ein Patchwork-Leben, das mit neuem Stoff geflickt wird, aber auf einem Gerüst, das für die Stimme des Herrn nicht offen ist: ein verschlossenes Herz, denn du bist nicht in der Lage, die Weinschläuche zu wechseln." [21]

 

Die Worte "Zeugnis geben" oder "bezeugen" haben noch eine weitere Bedeutung: Sie stehen im Gegensatz zu Zwang, denn Zwang ist eine Verleugnung der Liebe. Die Wahrheit Jesu ist unvereinbar mit Hass. Wenn wir also Zeugnis von Christus ablegen, müssen wir verstehen, dass wir die Wahrheit haben werden, wenn die Liebe wächst: "Säet für euch selbst Gerechtigkeit, erntet die Frucht der beständigen Liebe" (Hos. 10,12).

 

Das Zeugnis der Wahrheit als Wegweiser der menschlichen Zivilisation ist wichtig, denn ohne sie könnte die Menschheit stattdessen zu dem Schluss kommen, dass Lügen die Norm sind. Diejenigen, die die Wahrheit verteidigen, widerstehen nicht nur dem Bösen, sondern beweisen auch, dass sie die Wahrheit lieben.

 

(c) und sie liebten ihr Leben nicht bis in den Tod

Jeder, der das Opfer Christi in dieser Welt bezeugt, begibt sich auf seinen eigenen Weg des Opfers. Das bedeutet keine Grausamkeit im Sinne Gottes, sondern zeigt, dass man sich nicht mit einer sündigen oder falschen Welt abfinden muss: "Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber darbringt als ein lebendiges Opfer, heilig und Gott wohlgefällig, das ist euer geistlicher Gottesdienst. Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern verwandelt euch durch die Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was der Wille Gottes ist, was gut und annehmbar und vollkommen ist" (Röm. 12,1-2).

 

Deshalb ist der Auftrag, die Wahrheit zu sagen, unweigerlich mit einem Opfer verbunden, denn die Wahrheit in einer Welt der Täuschung zu verkünden, bedeutet unweigerlich, Opfer einer Lawine falscher Anschuldigungen zu werden, die in Hass und Gewalt gipfeln. In dieser Situation ist das Opfer der Preis für das Aussprechen der Wahrheit und macht den Wahrheitsverkünder zu einem Rettungsring, nach dem die Menschen in der stürmischen See greifen können.

 

Heute fürchten sich die Menschen vor diesem Opfer, denn in ihrer Vorstellung ist ein Opfer mit einem "Verlierer" verbunden. Deshalb klammern sie sich an eine Fata Morgana des Erfolgs, sammeln Schätze der Erde, jagen Ruhm und Ehre - das heißt, sie klammern sich an die ursprünglichen Köder, die der Ewige Lügner auslegt. Der Virus des "Erfolgs" infiziert immer mehr Menschen, die nach Illusionen greifen, sich gegenseitig treten und in einen endlosen "Krieg aller gegen alle" verwickelt sind. Der vollständige Sieg des Bösen scheint nahe zu sein.

 

Erinnern wir uns aber noch einmal an das Osteropfer Jesu und an die "Zeit Satans", in der das Böse für eine kurze Zeit die Macht über den Sohn Gottes erlangte. Es scheint, als sei der Sieg des Satanismus sicher: "Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe der Herde werden sich zerstreuen" (Mt 26,31). Doch dieser Sieg ist illusorisch, denn genau in diesem Moment errichtet Gott durch das freiwillige Opfer Jesu eine neue Welt der gereinigten Wahrheit: "Siehe, ich mache alles neu" (Offb 21,5).

  

Fazit: Die Notwendigkeit einer geistlichen Mobilisierung 

Von Zeit zu Zeit ereignet sich in der Menschheitsgeschichte dasselbe großartige Ereignis: Eine Gruppe von Menschen hört den Ruf des Heiligen Geistes, der der "Geist der Wahrheit" ist, der "uns von allem Unreinen reinigt", und entkommt, indem sie den Widerstand des Satanismus überwindet, der Schlangengrube der Lügen. Und die geistliche Waffe in diesem Kampf ist, wie wir oben gesehen haben, Christi Wort der Wahrheit, das persönliche Zeugnis des Menschen und die Opferbereitschaft des Menschen.

 

Wir können nicht auf Heilige warten, um diese Arbeit zu tun. Jesus ist "nicht gekommen, um die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder zur Buße." (Mt. 9:13). Deshalb ist jeder von uns, Sünder und Schwache, zu einer heldenhaften Auseinandersetzung mit dem Irrtum aufgerufen. Die einzige Voraussetzung für unsere Teilnahme an dieser Mission ist: "Lasst uns also die Werke der Finsternis ablegen und die Waffen des Lichts anziehen ... Zieht aber den Herrn Jesus Christus an" (Röm. 13:12, 14). Es ist das Ablegen alter geistlicher Gewänder und das Anlegen neuer, nicht von Falschheit befleckter Gewänder, die eine geistliche Alternative zur Welt des Irrtums bieten.

 

Ist diese Aufgabe unmöglich? Sicherlich nicht unmöglich, denn "keine Finsternis des Irrtums oder der Sünde kann dem Menschen das Licht Gottes, des Schöpfers, völlig nehmen. In den Tiefen seines Herzens bleibt immer eine Sehnsucht nach der absoluten Wahrheit und ein Durst, sie vollständig zu erkennen." [22]

 

Außerdem nähert sich gerade in der Zeit der größten Dunkelheit des Irrtums, in der eine Morgendämmerung undenkbar scheint, die Zeit für diese Morgendämmerung:

 

"Siehe, es kommen Tage, spricht Gott der Herr, da will ich eine Hungersnot über das Land kommen lassen, nicht an Brot und nicht an Wasser, sondern daran, die Worte des Herrn zu hören" (Am. 8,11). Während dieser Verfinsterung des Geistes ist der Mensch der Ungerechtigkeit, des Hasses und der Grausamkeit am müdesten. Das haben die zahlreichen Bekehrungen in den schrecklichen Tagen und Nächten der Revolution der Würde 2013/2014 bewiesen. Die Seele des Menschen wird dann zu einem Gefäß, das mit Reinheit gefüllt werden will. Deshalb werden diejenigen, die ihre durstigen Seelen mit der Wahrheit des Herrn füllen, ganz sicher erscheinen.

 

Falschheit und Täuschung sind ein globales und systemisches Phänomen, allgegenwärtig und scheinbar unbesiegbar. Sie können jedoch nicht mehr von einem System bekämpft werden, sondern von einer einzelnen Gemeinschaft - einer Gemeinschaft von Menschen, die für die Wahrheit kämpfen und ihre Stimme gegen das Unrecht erheben. Unser Ziel ist es nicht nur, "keinen Schaden anzurichten"; unser Ziel ist es, die Werte und Prinzipien der sozialen, politischen und rechtlichen Ordnung zu verändern, um die Ketten zu sprengen, die uns an ein System binden, das von Unwahrheit durchdrungen ist und uns versklavt.

 

Nur so können die Völker, die lange Zeit im Schatten der Geschichte standen, in den Vordergrund treten. "Denn es kommt der Tag, glühend wie ein Ofen, an dem alle Hochmütigen und alle Übeltäter zu Stoppeln werden, und der Tag, der kommt, wird sie in Brand stecken und ihnen weder Wurzel noch Zweig lassen, spricht der Herr der Heere. Aber für euch, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen mit Heilung auf ihren Flügeln" (Mal 3,19-20).

  

Unterzeichner

Myroslaw Marynowytsch, ehemaliger politischer Gefangener, Vizerektor der Ukrainischen Katholischen Universität und Präsident des UCU-Instituts für Religion und Gesellschaft

Constantin Sigow, Philosoph, Direktor des Europäischen Forschungszentrums für Geisteswissenschaften, Nationale Universität "Kyjiw-Mohyla Akademie" & Direktor der Forschungs- und Verlagsvereinigung "Dukh i Litera" (Geist und Buchstabe)

Petro Balog О.Р., Doktor der Theologie, Kolumnist, Direktor des Thomas-Aquinas-Instituts für religiöse Studien

Myroslawa Antonovytsch, Doktorin der Rechtswissenschaften, außerordentliche Professorin, Leiterin des Zentrums für internationale Menschenrechte an der Nationalen Universität der Kyjiwer Mohyla-Akademie

Anatoliy Babynsky, Journalist, Doktorand der Abteilung für Kirchengeschichte an der Ukrainischen Katholischen Universität, Laie der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche

Mychajlo Dymyd, Protopresbyter der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, Doktor des östlichen Kirchenrechts, Professor an der Ukrainischen Katholischen Universität, Lwiw

Viacheslaw Horshkov, Religionswissenschaftler, Mitarbeiter der Ukrainischen Bibelgesellschaft, Gemeindemitglied der Orthodoxen Kirche der Ukraine

Cyril Hovorun, Archimandrit, Direktor des Huffington Ecumenical Institute, Professor an der Loyola-Marymount University in Los Angeles

Marianna Kiyanovska, Schriftstellerin, Trägerin des Schewtschenko-Nationalpreises, ukrainische Griechisch-Katholikin

George Kovalenko, Erzpriester der OCU, Rektor der Offenen Orthodoxen Universität der Heiligen Sophia der Weisheit

Roman Morozov, Sekretär des Kirchenrates von Kryvy Rih

Bohdan Ohulchasnky, Erzpriester der Orthodoxen Kirche der Ukraine

Pawlo Smytsniuk, Direktor, Institut für Ökumenische Studien der Ukrainischen Katholischen Universität, Lwiv

Iryna Starovoyt, Außerordentliche Professorin, Ukrainische Katholische Universität

Victor Tregubov, Kolumnist

Sergiy Tymchenko, Direktor des Christlichen Zentrums REALIS, Pastor der Evangelischen Kirche "Spring of Hope" in Kyjiw, Ukraine

Wolodymyr Wolkovsky, Forscher an der Abteilung für Geschichte der ukrainischen Philosophie des Skovwroda-Instituts für Philosophie an der NAS der Ukraine, orthodoxer Christ

  

Bibliographie

1. Der heilige Gregor von Nazianzus. Oratio 45, In sanctum pascha.

2. Siehe: Christos Yannaras. Orthodoxie und der Westen: Hellenische Selbstidentität in der Moderne / trans. Peter Chamberas und Norman Russell. - Brookline, Ma.: Holy Cross Orthodox Press 2006, S. 101; Christos Yannaras. Gegen die Religion: Die Entfremdung des kirchlichen Ereignisses / trans. Norman Russell. - Brookline, Ma.: Holy Cross Orthodox Press 2013, S. 50.

3. Carlo Maria Martini. Predigt zum 25. Jahrestag des Episkopats // ARCC Light - Newsletter der Vereinigung für die Rechte der Katholiken in der Kirche 28 (2006), [5], http://www.arcc-catholic-rights.net/arcc_light_28_2.pdf.

4. Molly K. McKew. "Putin's Real Long Game" // http://www.politico.com/magazine/story/2017/01/putins-real-long-game-214589

5. Zygmunt Bauman, Leonidas Donskis. Plynne zlo. Zhyttya bez alternatyv / transl. Oleksandr Butsenko. - Kyiv: Dukh і litera, 2017, S. 8. (Siehe das Original: Das flüssige Böse. Leben mit TINA / Zygmunt Bauman, Leonidas Donskis. - 2016. - ISBN 978-966-378-545-5)

6. Papst Franziskus. "'Die Wahrheit wird euch frei machen' (Joh 8,32). Fake News und Journalismus für den Frieden". Botschaft Seiner Heiligkeit Papst Franses zum 52. Weltkommunikationstag // http://www.vatican.va/content/francesco/en/messages/communications/documents/papa-francesco_20180124_messaggio-comunicazioni-sociali.htm

7. Cyprien de Cartage, L'unité de l'église - De ecclesiae catholicae unitate; Eds. M. Bevenot, P. Siniscalco, P. Mattei, M. Poirier, Sources Chrétiennes 500 (Paris: Cerf 2006), S. 244-246].

(De opificio hominis), 20.

8. Siehe: Colleen McCluskey. Thomas von Aquin über moralisches Fehlverhalten. - Cambridge University Press 2017, S. 71.

9. Koltsov, Mykhajlo. "Postpravda pochynayetsya, koly vam bayduzhe, pravda tse chy brekhnya." Interview von Yuliya Bilous, Kunsht (2019). https://kunsht.com.ua/mixajlo-kolcov-postpravda-pochinayetsya-koli-vam-bajduzhe-pravda-ce-chi-brexnya/ Zugriff am 15.04.2020.

10. Konstantin Sigov. Pravda // Dictionary of Untranslatables. A Philosophical Lexicon. -Princeton University Press 2013, S. 813-819.

Rice University Commencement Address von Michael Bloomberg, ehemaliger Bürgermeister von NYC, 2018/ 12. Mai 2018. https://news.rice.edu/2018/05/12/bloombergs-message-to-rice-graduates-honesty-matters/

11. Frieden im Donbass und die Räumung der Krim sind möglich und notwendig: Pariser Erklärung der Intellektuellen". Kommuniqué der vierten Sitzung der Kommission für Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiederherstellung des Friedens zwischen Russland, der Ukraine und der Europäischen Union vom 10. bis 12. Oktober 2019 in Paris. // http://euromaidanpress.com/2019/10/19/intellectuals-issue-joint-declaration-in-paris-on-peace-in-donbas-return-of-crimea/

12. Ihor Yakovenko. "Yak Ukrayini staty tsinnisnoyu alternatyvoyu putinskomu "russkomu miru?" https://day.kyiv.ua/uk/blog/polityka/yak-ukrayini-staty-cinnisnoyu-alternatyvoyu-putinskomu-russkomu-myru

13. Ilya Milshteyn. "Ubiystvo na tom zhe korniu" https://graniru.org/opinion/milshtein/m.238474.html

 

Gertsen Aleksandr Ivanovich. Byloye i dumy" http://az.lib.ru/g/gercen_a_i/text_0130.shtml

 

Pater Yuriy Shchurko. 25-y tyzhden pislia Pyatdesiatnytsi. Sereda. Spravzhniy myr (Lukas 12:48-59)" // https://zhyty-slovom.com/lectio-divina/25-i-tyzhden-pislia-p-iatydesiatnytsi-sereda-spravzhnii-myr-lk-12-48-

14. Tomás Halík. "Vyklyky ta onovlennia tradytsiynoyi Tserkvy" https://zbruc.eu/node/89245

 

Andriy Zubov. "Teper і sport. Yak Rosiya potonula v mori brekhni" // https://nv.ua/ukr/opinion/vada-wada-yak-rosiyu-pokarali-za-doping-novini-rosiji-0058286.html

15. Raymund Schwager. "Chy potrebuyemo kozla vidpushchennia? Nasylstvo ta vidkuplennia u bibliynykh Pysanniakh." - Lviv: Svichado 2003, S. 92-93. (Siehe das Original: Schwager Raymund. Brauchen wir einen Sündenbock? Gewalt und Erlösung in den biblischen Schriften. - Thaur-Wien-München; Kulturverlag, 1994).

16. "Papst Franziskus: Wenn dein Herz für die Neuheit des Heiligen Geistes verschlossen ist, wirst du nie die volle Wahrheit erreichen"  https://www.indcatholicnews.com/news/29243

17. Johannes Paul II. Veritatis Splendor, par. 1. http://www.vatican.va/content/john-paul-ii/en/encyclicals/documents/hf_jp-ii_enc_06081993_veritatis-splendor.html

  

Danksagung

Die Autoren des Dokuments möchten Dr. Frances Forde Plude, Forschungsprofessorin im Ruhestand am Notre Dame College und Mitglied der Catholic Theological Society of America (CTSA), für ihre unschätzbare Unterstützung bei der Arbeit der Autoren danken; und Myron Cizdyn, Berater für Bildungstechnologie und Absolvent des LvBS Key MBA Programms, für die freiwillige Bearbeitung der englischen Übersetzung.

 

Originaltext

https://risu.ua/en/longing-for-the-truth-that-makes-us-free_n103953

  

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Was ist Wahrheit? - Eine Hilfestellung aus biblischer Sicht zur aktuellen Verunsicherung
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Kommentare: 2
  • #1

    Matthias Schüürmann (Donnerstag, 22 Juni 2023 14:14)

    Das sind sehr tiefgehende Erkenntnisse, die der Menschenrechtler Myroslaw Marynowytsch in seinen Gedanken zu Wahrheit zum Ausdruck bringt. Der aktuelle Bezug im schrecklichen Eroberungskrieg von Russland gegen die Ukraine ist offensichtlich: Tagtäglich werden Lügen, Unwahrheiten und Halbwahrheiten durch den Kremlsprecher Dimitry Peskow in die Welt gesetzt und Tatsachen verdreht, z.B. dass Russland unter einem Angriffskrieg der Ukraine leide und sich verteidigen müsse... Interessant finde ich Marynowytsch's Aufruf, dass Christen und christliche Gemeinden sich neu der Wahrheitsfrage stellen sollen und nach der biblischen Gabe der Geisterunterscheidung trachten sollen. Tatsächlich hat die Mainstream-Haltung "Es gibt keine absolute Wahrheit - alles ist nur relativ" schon viele Christen eingelullt. Ich bin einverstanden: Als Nachfolger Jesu Christi proklamieren wir: Jesus Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben (Joh.14,6). Es gibt eine absolute, göttliche Wahrheit und die ist verkörpert im Sohn Gottes Jesus Christus und ist uns offenbart worden im Wort Gottes, in der Bibel.

  • #2

    Nira (Sonntag, 18 Februar 2024 11:39)

    Hallo, mein Name ist Nira Shalom und ich möchte der Welt die gute Nachricht mitteilen, wie ich meine Ex-Liebe zurückbekommen habe. Ich war am Boden zerstört, als meine Liebe mich letzten Monat wegen eines anderen Mädchens verließ. Ein Freund machte mich jedoch mit Baba Wale da Wiseman bekannt, dem großen Boten. Ich erzählte Baba Wale von meinem Problem und erklärte, wie meine Ex-Liebe mich verlassen hatte und dass ich einen Job in einem großen Unternehmen brauchte. Er versicherte mir, dass ich am richtigen Ort sei, wo ich ohne Nebenwirkungen meinen Herzenswunsch bekommen würde. Er sagte mir, was ich tun sollte, und nachdem er seine Anweisungen befolgt hatte, rief mich meine Liebe in den nächsten zwei Tagen an und entschuldigte sich dafür, dass ich mich schon früher verlassen hatte. Eine Woche später rief mich mein Wunschunternehmen zu einem Vorstellungsgespräch für die Position des Vorgesetzten an. Ich freue mich sehr, der Welt mitteilen zu können, wie Baba Wale mir geholfen hat, meinen Herzenswunsch zu erfüllen. Baba Wale ist Spezialist für alle Arten von Zaubersprüchen und guter Magie. Wenn Sie Hilfe benötigen, wenden Sie sich bitte an Baba Wale unter babawalewiseman01@gmail.com. WhatsApp: +2348136951551

    Dank mir später!