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Mein Besuch in Lemberg in der Kriegszeit - Teil 1

In dieser Osterzeit, wo wir die Auferstehung Christi feiern und damit den Sieg des Lebens über alle Mächte des Todes, nur staunen und danken, wenn ich auf den vergangenen Mon at sehe.

 

Der Grund der Reise ist ein neues Projekt,  das mir angeboten wurde: ein Buch über die Aquarelle zum gegenwärtigen Krieg von Danylo Movchan in Lwiw und zuvor die Einladung von Myroslaw Marynowytsch zu sich nach Hause. Im letzten Herbst durfte ich seine Memoiren «Das Universum hinter dem Stacheldraht» auf deutsch veröffentlichen und ihm ein erstes Mal in Zürich begegnen.

 

 

Etwas aufgeregt reise ich per Flug nach Krakau, weiter im Nachtbus nach Lwiw, und zuletzt mit dem Taxi in die kleine Wohnung, die ich dank Airbnb gefunden hatte, zentral gelegen, nur einige Schritte weg von der Oper. Ziemlich erschöpft schlafe ich  zuerst lange und beginne dann die Stadt zu entdecken.

die schönheit von lwiw/lemberg

strassenmusik

die realität des krieges

 

 

Nun die zweite Realität: der Krieg. Ich sehe sie an Installationen und Plakaten, die die Ukraine aufrechten Hauptes mit der Flagge zeigen. Aber auch an den Sandsacken vor Keller, verhüllten Denkmälern, mit Brettern zugemachten Kirchenfenstern; Shops, wo Uniformen und andere Ausrüstungsgegenstände für Soldaten gekauft werden können: Ja, oft sind es die Soldaten selbst, die dafür sorgen müssen, da der Staat völlig überfordert ist, alles finanzieren und liefern zu können – deshalb ja die Aufrufe für Munition und Bewaffnung durch den Westen, sonst der Staat längst zahlungsunfähig wäre. Oft sehe ich in Geschäften Hinweise auf Spendemöglichkeiten mit QR-Codes.

 

In der „Garnisonskirche“, eigentlich der Jesuitenkirche im Zentrum, sehe ich eindrückliche Fotos von Kindern und ihre Aussagen zum Krieg. Schon der Ausdruck in ihren Augen zeigt ihre Fragen.

 

„I’m dreaming of building a tram trail to the cloud where my Daddy lives.”

“Why the war take my Dad? I hate the war.”

“It would be better that we had no war, and my Daddy would have died there…”.

“For the sake of my father’s name, the Hero, I will do everything to be like him.”

 

Eine eindrückliche Installation mit einem Kreuz aus Birkenholz und einer ikonenhaften ukrainischen Flagge mit dem Gesicht Christi. Darunter befinden sich Teile von Munition, die auf das Land abgefeuert wurde, und ein Gebet. Viele stehen still und bewegt da. Ihre Lippen zeigen, dass sie beten. An einem Munitionsteil sind einige der wunderschönen Ostereier sehen mit traditionellen Mustern. Die Hoffnung auf die Auferstehung – und zuvor das letzte Gericht.

 

An der Decke ist ein riesiger Zug von Vögeln zu sehen – Symbole für den ersehnten Frieden. Dann kommen die langen Reihen mit den Fotos der Soldaten, von denen in dieser Kirche bisher Abschied genommen wurde. Wenn ich die Gesichter sehe, die Namen – ja, ihr Leben wurde zerstört in der Verteidigung der Heimat, viel so früh. Sie fehlen nicht nur den Angehörigen, den Militärkameraden – sie hinterlassen gewaltige Lücken in der Gesellschaft und Traumatisierungen. Lassen wir uns wenigstens von den Fotos berühren.  

Video in der garnisonskirche

begegnung in "Meiner Galerie" - Iconart

Ich war nach meinen ersten Eindrücken im Gang durch einen Teil der Altstadt (Weltkulturerbe!) in der Galerie Iconart Contemporary Sacred Art Gallery, wo gerade eine neue Ausstellung eröffnet wurde. Sie wussten von der Ausstellung in Riehen, wo wir die Ausstellung „Nowa Ikona“ vier Tage zuvor eröffnet habe – und anderem mit vier Künstlerinnen, die in dieser deren Werke in dieser Galerie schon ausgestellt wurde. Ich konnte länger mit der Betreuering der Galerie, Marianna, reden, die mich seit meinem ersten Besuch 2017 kennt. Damals kaufte ich das Werk, das dazu geführt hat, dass ich heute mit dieser Kunst verbunden bin und sogar eine Ausstellung in der Schweiz organisieren durfte. Ostap Lozinskij, der es gemalt hat, starb im Alter von 38 Jahren unerwartet am orthodoxen Weihnachtstag, 6. Januar 2022, trotz Impfung mit „Moderna“ an den Folgen von Covid.

 

Unzählige schon auf den Strassen im Zentrum von Lwiw nahmen schockiert Abschied, über das Land hinaus wurde davon berichtet. Denn Ostap war ein ausserordentliches Talent – ohne sein künstlicherischer Drang, eine neue Art der Ikonenmalerei entstehen zu lassen, frei und zeitgemäss – gäbe es wohl diese neue Art der Kunstrichtung nicht. Deren Zentrum ist diese Galerie und alle, die dort ausstellen. Unterdessen ist eine ganze Generation solcher Kunstschaffenden entstanden – alle mit akademischer Ausbildung im Bereich Sakralkunst, und mit internationaler Resonanz.

  

Ich finde auch den Leiter des Vereins Iconart. Er bedankt sich sehr für mein Engagement und das Interesse nun auch in der Schweiz. Und wir sprechen lange über den Krieg. Es fällt ihm schwer, Hoffnung zu finden. Für ihn ist ein Zeichen der biblischen Sicht unserer Zukunft als „Endzeit“. 

begegnung mit jungen mann, der in die armee geht

Vor dem Nachtessen besuchte ich in Lwiw einen Laden mit ukrainischen Kleidern in guter Qualität und Design und sprach nach Ladenschluss länger mit dem jungen, gut ausgebildeten Mann mit perfektem Englisch. Er geht bewusst nächste Woche in den Krieg, weil er seinen Beitrag leisten will und nicht einfach sich nur ergeben und resignieren. Leben hat seine Zeit, Sterben hat seine Zeit. So seine Meinung. Und Krieg hat es schon immer gegeben, und wird es geben. Eine nüchterne und realistische Sicht, schon früh und reif bei einem jungen Menschen. Du bist ein mutiger Mann, so erwies ich ihm meinen Respekt und wünschte ihm ein Heer von Engeln. Er wollte sich dann über Facebook mit mir befreunden.

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