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Eine Theologie, die menschliche Leiden ernstnimmt

Ein Online-Seminar des Institutes für Ökumenische Studien der Ukrainischen-Katholischen Universität in Lwiw

 

Bild: "Die sich Abwandten", Aquarell zum russischen Krieg in der Ukraine, Danylo Movchan

 

Einleitung

 

Liebe Freundinnen und Freunde, herzlich willkommen zu unserem internationalen Seminar über die Theologie der Trauer und unser ökumenisches Engagement in diesem Bereich. Dieses Seminar versteht sich als «Laboratorium für eine ökumenische Theologie der Trauer». Es wurde vom Institut für Ökumenische Studien mit Unterstützung unserer niederländischen Freunde organisiert.

 

Das Format unseres Seminars ist sehr lebendig, wir sitzen im Konferenzsaal der Theologischen Fakultät der Ukrainischen Katholischen Universität in Lemberg und unsere Veranstaltung wird auch über Zoom übertragen. Die Arbeitssprache des Seminars ist Englisch. Wir werden fünf Referenten haben, die ihre Beiträge innerhalb von 15 bis 20 Minuten vorstellen werden.

 

Nach jedem Redner wird es eine kurze Gelegenheit für Fragen und Antworten geben. Am Ende der Vorträge werden wir Zeit für eine gewisse Diskussion im Rahmen dieses Seminars haben. Wir werden dann versuchen, einige kurze Antworten zu geben bzw. einige Anregungen und Ideen für eine weitere, vertiefte Auseinandersetzung mit theologischen und pastoralen Fragen im Kontext von Leid und Trauer aus christlicher Perspektive zu geben.

 

Das ist die übergreifende Frage, der wir uns stellen wollen: Wo ist der allmächtige Gott, wenn Menschen leiden? Im Einzelnen werden wir uns mit folgenden Fragen beschäftigen: Warum lässt Gott menschliches Leid zu? Wie können wir nach den schrecklichen Massakern in Butcha, Irpin oder anderen ukrainischen Städten und Dörfern noch an Gott glauben? Wie können wir Gottes Gegenwart inmitten von Leid und Trauer erkennen? Wo ist Gerechtigkeit, wenn der Starke den Schwachen missbraucht? Wie können kirchliche Gemeinschaften Menschen in Trauer und Schmerz begleiten und gleichzeitig Hoffnung im Licht des Evangeliums vermitteln? Wie können Kirchen einen integrativen pastoralen Ansatz entwickeln, der auf tiefe Traumata und Verluste eingeht? Wie kann ökumenisches Engagement unsere Antwort als Kirchen auf Leid und Ungerechtigkeit stärken?

 

Im Kontext der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine haben all diese Fragen an Dringlichkeit gewonnen. Die Realität von Leid und Verlust erfordert eine zutiefst mitfühlende und fundierte Antwort der Kirchen und Glaubensgemeinschaften. Unsere Diskussionen werden sich auf theologische Reflexion, pastorales Engagement und ökumenische Solidarität als Mittel zur Bewältigung der anhaltenden Tragödie konzentrieren, in der Glaube, Hoffnung und Gerechtigkeit aufrechterhalten werden. Um der Herausforderung gerecht zu werden, diese tiefgreifenden Fragen zu behandeln, haben wir namhafte Referenten aus der Ukraine und aus dem Ausland eingeladen, die verschiedene christliche Traditionen vertreten und uns eine Theologie der Trauer und ihrer pastoralen Dimension vorstellen werden.

 

 

Wir fühlen uns geehrt, einen hochrangigen Gast aus den Vereinigten Staaten begrüßen zu dürfen. Er ist in der Ukraine kein Unbekannter. Er hat die Ukraine mehrmals besucht und war vor unserem Seminar in verschiedenen ukrainischen Städten wie Odesa und Winnyzja, wo er zwei ukrainischen Gemeinden pastorale und missionarische Dienste geleistet hat. Ich bitte Reverend Roger Murchison, Doktor der Theologie vom Princeton Theological Seminary, das Wort zu ergreifen. Er ist Baptistenprediger und Autor mehrerer Bücher, von denen das bekannteste ein Leitfaden für die Trauerbewältigung ist, der durch die Phasen der Trauer und des Schmerzes nach einem Verlust führt. Wir freuen uns darauf, von deinen Erfahrungen und deinem Wissen im Umgang mit Trauer und Verlust zu hören.

 

 

Pfarrer Rodger Murchison, Doktor der Theologie, Princeton Theological Seminary – Baptistenpfarrer und Autor von „Guide for Grief: Help in Surviving the Stages of Grief and Bereavement after a Loss“ (Leitfaden für Trauer: Hilfe beim Überstehen der Phasen der Trauer und des Schmerzes nach einem Verlust)

 

Wie könnte eine Theologie der Trauer aussehen? Was meint diese Bezeichnung überhaupt?

 

In der Bibel finden wir einiges, was uns helfen könnte, eine spezielle Theologie der Trauer zu entwickeln. Wir sehen sie offensichtlich erkennbar bereits in einigen Versen des 4. Kapitels des 1. Briefes an die Thessalonicher, in denen Paulus sagt: «Ich möchte euch, meine Freunde, nicht im Unklaren lassen über diejenigen, die bereits tot sind. Ihr solltet nicht in Trauer versinken wie diejenigen, die keine Hoffnung oder keinen Glauben haben. Denn wenn wir glauben, dass Jesus Christus gestorben und auferstanden ist, wird Gott einmal diejenigen, die glauben, wieder zum Leben erwecken.»

 

Wenn wir diese Worte hören, fragen wir uns vielleicht, ob Paulus uns angesichts unseres Leidens in einem Krieg immer noch dasselbe sagen würde, dass Christen anders trauern sollten als Nichtchristen?

 

Ja, ich glaube, er würde noch immer dasselbe sagen. Seine Empfehlung wäre, dass das Fundament einer Theologie der Trauer unser christlicher Glaube sein sollte. In seinem Brief an die Thessalonicher spricht Paulus von einer engen Beziehung zwischen Glaube und Trauer. Darüber habe ich bereits einiges verfasst, was in meinem Beitrag «The Grief/Faith Relationship and the Disabling Effect of Unresolved Grief» (Die Beziehung zwischen Trauer und Glaube und die behindernde Wirkung von ungelöstem Leidensschmerz) zu lesen ist, der kürzlich in der Zeitschrift «Eastern European Thelogical Reflections» erschienen ist (siehe Anhang). Dort habe ich über diese besondere Beziehung von Trauer und Glauben einiges mehr gesagt, über ihre wichtige Bedeutung und deren möglichen Auswirkungen auf den Prozess unserer Trauer.  

 

Die wichtigste Aussage meines Textes war, dass ich allen unter uns, die schon Christen sind und ihren Glauben im Alltag umsetzen und seine positiven Auswirkungen in ihrem Leben erfahren möchten, sehr empfehle, nicht zu vergessen, dass sich unser eigener Glauben noch anders werden sollte, tiefer und weiter, damit er uns auch in sehr schwierigen Zeiten wirklich tragen kann. 

 

Eine nähere Beschreibung der Beziehung von Glauben und Trauer befindet sich auch in meinem Buch „Guide for Grief“ (Leitfaden für die Trauer). Dort habe ich zwei Sätze formuliert, die sich leicht merken lassen: „Erlaube deinem Glauben, dass er deine Trauer beeinflusst. Und erlaube deiner Trauer, dass er deinen Glauben beeinflusst."  Der persönliche Glaube sollte einem Christen also in der Trauer helfen und als Vorteil erweisen, da er in seinem persönlichen Glauben die Hoffnung kennt, die ihm in seinem eigenen Leiden die notwendige Kraft gibt.  Diesen Vorteil bestätigen heute auch die Resultate einiger Forschungsberichte, die die positive Wirkung eines lebendigen christlichen Glaubens auf den Trauerprozess aufzeigen können. Es ist im Grunde genommen dasselbe, was Paulus in seinem Brief an die Thessalonicher uns schon längst gesagt hat.  Der Glaube sollte sich also für jemanden, der an Jesus Christus glaubt, während seines Trauerprozesses als Vorteil erweisen, da dieser eine Hoffnung kennt, die ihm Kraft gibt.  

 

Die Kenntnis der Beziehung zwischen Glauben und Trauer aus dem 1. Thessalonicherbrief sollte deshalb am Beginn einer Theologie der Trauer stehen, die uns im Gemeindedienst hilft, wenn wir Menschen in ihrer Trauer begleiten müssen und ihnen eine Hoffnung geben möchten. Zuerst müssen wir aber auch ihr Leiden verstehen lernen, bevor wir ihnen auch sagen, dass Christus unsere Hoffnung ist, und uns auch in unserem Leiden nicht alleine lässt. Es müsste also eine Theologie sein, die uns sagt, dass wir uns zunächst einmal das Leid eines Menschen verstehen sollten, und dann diesem Menschen eine Perspektive geben, die ihm die christliche Hoffnung zeigt. Wir sollten aber einem leidenden Menschen nicht einfach nur sagen, dass Christus unsere Hoffnung ist, sondern ihn während seines Trauerprozesses auch praktisch so begleiten, dass unsere Hoffnung sich auf seine Trauer auswirken kann. Unsere Theologie sollte für uns nicht nur eine theoretische Sache sein, sondern auch ein konkretes Handeln, das unsere Hoffnung zeigt.  

 

Dieses Verständnis hat aber auch seine Gefahren. Und zwar dann, wenn das, was Paulus gesagt hat, dass Christen nicht wie Ungläubige trauern sollten, dazu führen würde, dass wir glauben, ein Gläubiger sollte in allen Situationen seines Lebens in Jesus Christus als seinen Retter und Erlöser eine Hoffnung haben, auf die er sich verlassen kann. So einfach ist es aber bei niemandem von uns, wenn wir ehrlich sind. Viele Christen sehen auch keinen Zusammenhang zwischen ihrer Trauer und ihrem Glauben. Das erlebe ich oft in meinen Trauerseminaren, die ich regelmäßig in Kirchengemeinden durchführe.

 

Für mich ist deshalb ein anderer wichtiger Text für eine biblische Theologie der Trauer die Geschichte der Auferweckung des Lazarus in Johannes 11 mit den uns allen bekannten Worten Jesu: "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben." Jesus Christus ist also Trost und Hoffnung für Lebende und Verstorbene. Der Auferstehungsglaube sollte also unser Trauer kleiner machen, sich grösser als all unser Leiden erweisen. 

 

Doch unser Glaube ist kein statisches oder immer bei uns einfach vorhandene Empfindung, das uns, wenn wir einmal gläubig sind, ständig unabänderlich begleitet. Unser Glaube sollte auch etwas sein, das für uns nicht einfach abgeschlossen ist, sondern sich im Laufe unseres Lebens verändern sollte. Es geht um unsere Bereitschaft, sich in allen Lagen unseres Leben wieder neu auf ihn einzulassen.

 

Ich glaube also: Könnte unser Leiden auch eine Gelegenheit werden, unseren Glauben reifen zu lassen? Ich glaube, ja, wenn wir nicht nur das sehen, was allen auffällt in der Geschichte der Auferweckung des Lazarus, das erste Wunder, dass der Tote lebendig aus dem Grab kam, sondern noch genauer hinsehen, und das andere, eigentlich viel grössere Wunder auch sehen: Als Martha, die Schwester von Lazarus erkannte, dass Jesus die Auferstehung und das Leben für uns alle ist. Dieses Wunder zeigt uns die Theologie der Trauer, um die es für uns.  

 

Martha gab ihrer Trauer die Chance, ihre Hoffnung auf die Auferstehung  Christus zu setzen, und bekannte sich dabei öffentlich zu Jesus als Christus, Sohn des lebendigen Gottes.  Johannes 11 ist ein sehr schönes Beispiel, wenn es um die Themen Trauer, Glaube und Hoffnung geht. Martha hatte aber in ihrem Leben nicht immer denselben Glauben. 

 

Trauer ist einer der Momente des Lebens, wo wir uns diese grundsätzlichen Fragen zu stellen beginnen: Wer sind wir eigentlich? Wozu das alles? Was glauben wir überhaupt? Es ist sehr verständlich, dass diejenigen, die trauern müssen, sich auch Fragen über Gott und ihren Glauben stellen. Dies kann zu einer Chance werden,  seinen bisherigen Glauben zu überdenken und neu nach der Wahrheit zu suchen. Unsere Trauer kann uns dann zu einem Glauben hinführen, der weiter und tiefer ist als zuvor. 

 

Vielleicht entdecken wir dann auch eine Theologie, die uns hilft, wenn wir trauern und uns selbst auch diese sehr grundsätzlichen Fragen stellen: "Wo ist Gott? Gibt es ihn überhaupt? Wer ist er denn? Was glaube ich eigentlich?"

 

Dieselben Fragen stellen wir uns auch gegenüber Gott angesichts des menschlichen Leides in der Ukraine. Wie können wir trotzdem an Gott glauben in diesen grundlosen Ungerechtigkeiten, diesen Grausamkeiten, diesen Schmerzen, diesem Elend und dem Tod?

 

Diese Fragen stellt sich auch Noemi im Buch Rut in ihrer Trauer über das Unglück in ihrer eigenen Familie. Noemi tut das, was wir auch bei uns oft erleben, wenn wir die vielen Fragen hören, mit denen sie Gott für alles Unglück verantwortlich machen. Hören wir uns einmal Noemi an, ihre Klage voller Schmerz über den Tod ihres Mannes und ihre beiden Söhne:  «Nennt mich nicht mehr Noemi, nennt mich Mara, denn Schaddai (der Allmächtige» hat mich sehr bittergemacht. Reich bin ich gegangen, und mit leeren Händen hat der HERR mich zurückkehren lassen. Warum nennt ihr mich Noemi, da doch der HERR gegen mich gesprochen, Schaddai mir Schlimmes angetan hat.» Noemi klagt Gott an, weil der Allmächtige ihr Unglück gebracht hat. Gott für den Tod eines Menschen verantwortlich zu machen, ist weit verbreitet.

 

Es ist eine natürlich die uralte Frage, die man sich angesichts von Trauer und Leid über Gottes Güte und Macht stellt. Der Gedanke ist so weit verbreitet, dass ein ganzer Zweig der Theologie entstanden ist, die Theodizee, die versucht, Gottes Güte und Macht angesichts von Angesicht von Leid und Tod zu verteidigen. Hier liegt das theologische Dilemma für diejenigen Gläubigen, die trauern. Wenn Gott allgütig ist, warum lässt er dann bösen Schmerz, Leid und Tod zu? Wenn Gott allmächtig ist, warum stoppt er dann nicht bösen Schmerz, Leid und Tod? Entweder ist Gott nicht allgütig und kümmert sich nicht um das Leid der Menschheit, oder Gott ist nicht allmächtig und kann das Leid der Menschheit nicht stoppen. 

 

Dieses theologische Dilemma kann für trauernde Gläubige sehr problematisch sein, wenn sie in ihrer Trauer gefangen bleiben. Dieses uralte Dilemma geht auf Epikur aus dem 4. Die Frage nach der Güte und Allmacht Gottes steht in direktem Zusammenhang mit dem eigenen Verständnis von Trauer. Wenn ein gläubiger Mensch beginnt, Gottes letztendliche Fähigkeit und Bereitschaft, ihm in Zeiten des Verlustes zu helfen, in Frage zu stellen, kann dies, wie bereits erwähnt, sein Gefühl der Trauer verstärken und den Schmerz noch trauriger machen.

 

Genau das ist Noemi passiert. Sie sagt in Rut, Kapitel 1: «Ich bin reich weggezogen, aber der Herr hat mich mit leeren Händen heimkehren lassen. Der Herr hat mich heimgesucht, der Allmächtige hat Unglück über mich gebracht.» Noomis Klage. Hört ihr sie? Ihre Klage ist die Erinnerung daran, dass sie Bethlehem reich verlassen hat, mit Mann und zwei Söhnen, und nun ohne sie zurückkehrt, als Witwe und Mutterlose. Die Trauer hat sie gelähmt und ihren Glauben geschwächt, so dass sie ihren Namen in Mara änderte, was im Hebräischen «Bitterkeit» bedeutet. Noemi bedeutete „lieblich und süß“.

 

Wir sehen wir sehr deutlich, dass Noemis Theologie der Trauer und ihr Gottesverständnis sich auch auf ihren Trauerprozess auswirkte, wie sie mit ihrem Schmerz über Tod in ihrer Familie umging. Noemi gab Gott die Schuld für ihren Verlust und die damit verbundenen Probleme in ihrem Leben. Ein Theologe, der den Menschen damit helfen möchte, würde ihr deshalb eine andere Theologie der Trauer vorschlagen. Sein Vorschlag wäre: Der Gott, an den wir glauben sollten, schickt uns nicht nur ein Problem, sondern hilft uns auch, mit unserer Trauer anders umzugehen. 

 

Eine weitere Möglichkeit, Gottes Güte und Macht angesichts des Bösen, des Leidens, des Todes und des Schmerzes zu verstehen, ist der freie Wille des Menschen, was heisst, jeder Mensch besitze die Freiheit,  selbst zu entscheiden, wie er leben und ob er an Gott glauben will, ohne jede Einmischung von aussen, auch nicht von Gott. Wenn der Mensch völlig frei ist und alles selbst entscheiden kann, wird die Menschheit aber bald einmal in einer Welt leben, die gut als auch böse ist. 

 

Ein Pfarrer, der die Theologie der Trauer auch in einem Gebiet, indem ein Krieg herrschte, verstand, war Reverend Dr. Lesie Weatherhead von der City Temple Church in London, England. Er war von 1936 bis 1960 Pastor dieser Kirche und begleitete seine Gemeinde durch das Trauma des Zweiten Weltkriegs. Im Jahr 1941 wurde die Kirche durch eine Brandbombe zerstört, die während des Blitzkrieges über London abgeworfen wurde. Weatherhead setzte seine Arbeit für seine Gemeinde während des gesamten Krieges fort. Seine Gemeinde stellte ihrem Pfarrer immer wieder die Frage: Woher kommt dieses Böse? Woher kommt dieses Leid? Woher kommt dieser Schmerz?

  

Weatherhead veröffentlichte 1944 sein Buch «The Will of God». Der Krieg tobte noch und sollte erst 1945 zu Ende sein, also schrieb er das Buch noch während des Krieges. Was würde ein heutiger Pfarrer seinen Gemeindegliedern sagen, die nicht nur um den Tod ihrer Angehörigen trauern, sondern auch um die Zerstörung ihrer Kirche, wenn er von seinen Gemeindegliedern spricht, die einfach nicht mehr an einen guten Gott glauben können? Wo ist dieser gute Gott inmitten all des Bösen, wenn um uns herum London in Schutt und Asche liegt?

 

Vielleicht fragen sich die Trauernden in der Ukraine aber auch, wie sie die Worte aus Römer 8,28 ("Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten dienen") verstehen sollen. Alle Dinge dienen zum Guten? Wo ist Gott inmitten dieses Krieges? Kann das gut sein? Ist das sein Wille, wenn unschuldige Menschen sterben und leiden?

  

Weatherhead hat seinen Überzeugung über den wirklichen Willen Gottes genau in dieser Zeit des Leidens und während des Zweiten Weltkrieges auf den Punkt gebracht. Weatherhead beschäftigte sich mit einem dreifachen Verständnis des Willens Gottes, dem er immer wieder begegnete. In seinem Buch erwähnt er diese drei Möglichkeiten, den Willen Gottes im Leiden zu missverstehen: Erstens: Ja, es ist Gottes absichtlicher Wille, es ist Gottes Plan für die Menschheit. Zweitens ist es Gottes Wille unter bestimmten Umständen, Gottes Plan unter bestimmten Umständen. Und drittens: Es ist Gottes letzter Wille, dass wir leiden.

 

Ist dieser Krieg in der Ukraine also Gottes Wille? Nein, Gott will nicht, dass seine Geschöpfe Krieg führen, dass seine Schöpfung unter diesem Krieg leidet. Oder um es mit Weatherhead zu sagen: Gott ist der Schöpfer und Erhalter unserer Welt. Ja, der Tod gehört für jeden von uns zum Leben, aber Gott ist kein Mörder. Weatherhead wollte, dass seine Leser verstehen, dass dieser Krieg, in dem Millionen von Menschen getötet wurden, nicht Gottes Wille sein kann. Gott will nicht, dass Menschen auf diese Weise sterben, das kann niemals sein Wille sein. Aber er kann auch unter schrecklichen Umständen Gutes tun, und das ist in der Tat sein Wille. In jeder Tragödie steckt auch die Möglichkeit, dass Gott uns eine neue Zukunft schenkt. Aber die Menschen in der Ukraine dürfen nicht nur über den Krieg definiert werden. Wir können nicht leugnen, dass dieser Krieg unglaubliches Leid, Schmerz, Verlust und Trauer verursacht.

 

Aber müssen wir auch sagen, dass es selbst im Krieg noch etwas Gutes gibt? Das wäre wohl Gottes Wille. Und haben wir auch eine Hoffnung für diejenigen, die durch diesen Krieg viel Leid erfahren und verarbeiten müssen, haben wir für sie eine Theologie der Hoffnung?

 

Das war die Aufgabe, der sich Weatherland in seiner Kirche stellte. Er glaubte nicht, dass Gott diesen schrecklichen Krieg verursacht hatte, aber er hoffte, dass Gott ihn am Ende zum Guten führen würde. Aber er sagte auch mitten im Krieg, was wäre das für ein Gott, der uns einen Krieg schickt, um am Ende seinen guten Plan an uns zu verwirklichen.

 

Deshalb sage auch ich: Was wäre das für ein Gott, der euch einen Krieg schickt, um damit letztlich an euch seinen guten Plan zu verwirklichen? Gott hat euch diesen Krieg nicht geschickt, er hat ihn nicht gewollt. Sein Wille ist, dass auch an euch Gottes Wille gut werden kann. Weatherhead verstand aber auch, dass in einer schrecklichen Situation wie einem Krieg die Welt für uns anders aussieht und wir Gottes guten Willen nicht erkennen können. Doch trotz all dieser Umstände bleibe Gott für ihn lebendig. Gott kann uns die Kraft geben, einen Verlust anzunehmen, und er kann uns durch den Schmerz, den wir tragen, durch die Trauer, wenn wir uns ihm anvertrauen, zu neuer Hoffnung führen.

 

Kürzlich habe ich mit einem ukrainischen Pastor über all das gesprochen und über seinen Dienst unter den sehr tragischen Umständen dieses Krieges, der für mich sehr vorbildlich ist. Trotz allem sieht er einen Weg, an den letztlich guten Willen Gottes zu glauben und sich als Pfarrer in der Ukraine die Hoffnung nicht nehmen zu lassen. Er schmiedet eine Theologie der Trauer auf dem Amboss der Hoffnung für die, die keine Hoffnung sehen, für die, die glauben und für die, die nicht glauben, die nur den Hass in dieser Welt sehen. Er versucht, allen Hoffnung zu geben. Dieser Pfarrer lässt sich seine Hoffnung trotz allem nicht nehmen.

 

Früher arbeitete er als Pastor in einer Stadt in der Nähe von Bachmut in der Ostukraine. Als die Russen 2022 einmarschierten und die Stadt besetzten, wurden er und viele andere Christen immer wieder von ihnen bedroht. Schließlich entschieden sie sich, als Flüchtlinge in die Stadt Wenyzija zu gehen und ihr altes Zuhause, ihre Familie, ihre Arbeit, ihre Kirche und ihre Erinnerungen an das, was war und nicht mehr ist, zurückzulassen.

 

Es war der traurigste Schritt ihres Lebens, aber sie beschlossen, sich trotz aller Traurigkeit ihren Glauben nicht nehmen zu lassen und den neuen Ort zu ihrer Heimat zu machen. Sie gründeten eine neue Gemeinde. Sie begann im April 2022 mit sechs Mitgliedern. Heute besuchen 75 Menschen den Gottesdienst und es werden immer mehr. Letzten Sonntag habe ich in dieser Gemeinde gepredigt. Die Gemeinde hat mehrere Dienste in der Umgebung und in der ganzen Ukraine. Diese Gemeinde besucht sogar jede Woche die Soldaten an der Front und die Zivilisten, die der Kriegsfront nicht entkommen können. Dieser treue Pastor und seine mutige evangelische Gemeinde zeigen uns, wie selbst im Angesicht von Trauer und Verlust der Glaube an eine neue Hoffnung wieder möglich ist. Diese Kirche ist ein lebendiger Beweis dafür, dass eine praktisch gelebte Theologie der Trauer in einer sehr schwierigen Situation in den unterschiedlichsten Kirchen entstehen kann.

 

Diese Kirche ist für mich ein Beispiel auch für andere Religionsgemeinschaften, die ihre Trauer überwinden und die verwandelnde Kraft der Hoffnung und des Glaubens auch in einem Kriegsgebiet entdeckt haben. Letzten Sonntag waren dort 80 Menschen im Raum und ich habe mit einem Handzeichen darum gebeten, ihnen etwas sagen zu dürfen. Von den 80 Anwesenden waren 70 Flüchtlinge.

 

Und noch etwas scheint mir sehr wichtig: Die Aufgabe, eine Theologie der Trauer zu entwickeln, bedeutet nicht nur katholisch, orthodox, baptistisch, methodistisch, pfingstlerisch oder mennonitisch zu sein, sondern sie gemeinsam zu suchen. Eine Theologie der Trauer erfordert die ökumenische Zusammenarbeit aller christlichen Konfessionen.

  

Dieses Seminar, Roman Fihas, ist meiner Meinung nach ein perfektes Beispiel dafür, wie wir alle mit unseren christlichen Traditionen voneinander lernen können. Wenn wir einander zuhören und miteinander ins Gespräch kommen, entsteht eine Theologie der Trauer, die uns allen hilft. Das ist, wie du in der Einleitung gesagt hast, heute wirklich sehr wichtig. Aber zuerst kommt das Zuhören, dann kommt die Theologie. Wir alle als Theologen und Priester, das hast du in der Einführung zum Thema sehr richtig gesagt, ich mag deine Worte auch sehr, dass wir zuerst aufeinander hören sollten und dann erst die Theologie kommt, denn manchmal wollen wir Theologen und Priester lieber reden als zuhören. Aber für unser Thema ist es sehr wichtig, dass wir zuerst einander zuhören und dann erst zur Theologie kommen, die wir entwickeln wollen. Diese muss dann sehr lebensnah sein, und da hilft uns das Zuhören auf die Menschen, die uns anvertraut sind, und das Eingehen auf ihre Leiden und Fragen. Nur eine solche Theologie, die aus dem Hören kommt, wird uns helfen.

  

Ich möchte mit einem Zitat eines Soldaten und Dichters jener Zeit aus dem ersten Korintherbrief und seinen folgenden Worten schließen. „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig, die Liebe ist nicht eifersüchtig, die Liebe ist nicht ängstlich wie ein Tier, sondern sie ist aufmerksam. Die Liebe könnte alles aufgeben und verlassen, aber sie nimmt den in Liebe auf, der Schusswunden an den Beinen hat oder Schusssplitter, die schon lange in ihnen stecken. Die Schinderei ist vorbei, aber die Freunde sind es nicht. Die Plackerei ist vorbei, aber die Freunde sind es nicht. Schließe die Augen aus Liebe, wickle sie in den Schlafsack und nimm sie mit.»

 

 Vielen Dank. Es geht also nicht darum, theoretisch zu denken, wenn man mitten im Leid ist, sondern wirklich so, wie du diesen Satz des Soldaten zitiert hast, über diese Wunden und diese Augen, das hat uns sehr berührt, und deshalb bemüht sich die Ukraine wirklich, mitten in diesem Krieg, die Liebe Gottes in diesen schwierigen Umständen zu zeigen, in unserer verzweifelten Suche nach seiner Gegenwart unter uns.

 

Rückfrage

 

Ich habe noch eine Frage. Du hast gesagt, dass manchmal, wenn wir über Massaker sprechen, Menschen anderen Menschen Böses antun. Aber wenn wir über Naturkatastrophen sprechen, habe ich eine Erklärung dafür: Gott hat den freien Willen in die Welt gesetzt, nicht nur für den Menschen, sondern auch für die Natur. Können wir also von einem freien Willen der Natur sprechen, wenn diese Naturkatastrophe so viel Zerstörung verursacht, wie wir Menschen es in meinem Zuhause in Augusta, Georgia, persönlich gespürt haben? Roman, im September ist der Hurrikan Helen durch Augusta gezogen. Erinnert ihr euch, als ich im September hier war, als dieser Hurrikan am 27. September durchkam und viele Häuser zerstörte und Menschen in meiner eigenen Stadt tötete? Die Häuser meiner Nachbarn wurden zerstört und sie konnten nicht mehr in ihren Häusern leben. Viele haben sich gefragt: Wo ist Gott inmitten dieses Hurrikans, inmitten dieses Sturms?

 

Ich denke, die Antwort, die Weatherhead uns geben würde, wäre in etwa die gleiche: Gott ist mit uns, auch in der Tragödie einer Naturkatastrophe, auch in einer Kriegskatastrophe, die eigentlich nur eine von Menschen verursachte Katastrophe sein kann. Und ich denke, wir haben den Glauben, aber wir müssen auch auf unsere Gemeinschaft hören. Nach dem Hurrikan haben wir gesagt, die Menschen können in unsere Kirche kommen und ihren Schmerz und ihre Trauer mit uns teilen. Wir haben Wasser, Essen und Kleidung verteilt, aber auch das Evangelium verkündet. Wir haben zugehört und gesagt, dass Gott auch in dieser Tragödie bei uns ist. Wir haben nicht gesagt, Gott hat den Sturm geschickt, sondern Gott war mit uns im Sturm, und ich denke, das ist biblisch, wenn man sich an Jesus im Sturm auf dem See Genezareth erinnert. Er war mitten im Sturm und er konnte den Sturm stillen und Frieden schaffen. Aber er sagte zu seinen Jüngern: "O ihr Kleingläubigen!" Dies zu diesem Teil in unserem Gespräch, zum Sturm der auch in uns tobt. 

 

 

Julia Vintoniv, Doktorin in Theologie, Dozentin an der UCU - Forscherin zum Phänomen der Gottesferne in Theologie, Spiritualität und zeitgenössischer Kultur 

 

Nun zu dir, Julia. Du hast über das besondere Thema der Gottverlassenheit promoviert. In deinem Beitrag mit dem Titel „An jenem Tag ließ Gott die Sonne schon am Mittag untergehen" geht es um diesen Moment der totalen Dunkelheit am Nachmittag des Karfreitags, um diesen Moment der totalen Gottverlassenheit, den Christus vor seinem Tod am Kreuz erlebt hat, als einen sehr wichtigen Aspekt einer tiefen Theologie der Trauer mit einem Gott, der am Kreuz in seinem Sohn der Menschheit gerade in dieser tiefsten Dunkelheit sein Mitleid und Erbarmen zeigt.

 

Es ist kein angenehmes Thema, über das ich jetzt sprechen werde, denn es konfrontiert uns mit der ungeschminkten Realität unseres Leidens und stellt unser Verständnis des göttlichen Wesens in Frage. Schon im Alten Testament finden wir einen Gott, der nicht distanziert, sondern zutiefst betroffen vom Leiden seines Volkes ist. Die gefühlsbetonten Passagen des Alten Testaments sprechen von Gottes Trauer, Eifersucht, Zorn und anderen Gefühlen gegenüber seinem Volk, die der heutigen Erfahrung Gottes mit der Menschheit völlig entsprechen.

 

Schon im 20. Jahrhundert, erschüttert von den Schrecken der Zerstörung vieler traditioneller theologischer Rahmen, fragten wir uns: Wie kann ein gerechter und barmherziger Gott angesichts des Leidens in dieser Welt schweigen? Eli Wiesel schrieb einmal die unvergesslichen Worte: „Nie werde ich diesen Rauch vergessen, diese Flammen, die meinen Glauben für immer verzehrten, diesen Augenblick, der meinen Gott und meine Seele ermordete. Niemals werde ich diese Dinge vergessen, auch wenn ich so lange lebte wie Gott selbst."

 

Ich werde auch nie die tiefe Glaubenskrise vergessen, die sehr viele Ukrainer gerade durchleben. Diese Zeit erfordert ein Überdenken der traditionellen theologischen Konzepte. Die jüdische Theologie hat sich von einem Verständnis des Leidens als Strafe zu einem Verständnis des Leidens als Prüfung des Glaubens gewandelt. Eine ähnliche Entwicklung sehen wir im Christentum, wo das Leiden für uns Christen früher als eine Art Glaubensprüfung verstanden wurde, heute aber eine Erfahrung der Gottverlassenheit ist.

 

Historisch gesehen hat die christliche Theologie seit der Zeit der Kirchenväter mit diesem Gedanken gerungen. Es galt als Häresie, dass der Vater leibhaftig mit seinem Sohn am Kreuz gelitten habe. Die frühe Kirche lehnte dies ab, um die verschiedenen Hoffnungen der Trinität aufrechtzuerhalten. Wenn man aber das Leiden des Vaters mit seinem Sohn am Kreuz annimmt, dann bleibt uns nur ein Gott, der uns keine Hoffnung gibt, fern von uns, gefühllos in seinem Himmel.

 

Schon vor Jahrhunderten haben Theologen gewagt, den Gedanken des leidenden Vaters zu erforschen. In seiner Einführung sprach P. Roman von der Schwierigkeit, Gott im Leiden zu lieben, von diesem Kampf, der aus dem wahrgenommenen Schweigen Gottes für uns erwächst, das paradoxerweise zur Gelegenheit wird, ihn als Vater zu lieben, um ihn einerseits an sein Schweigen zu erinnern, das oft als Untätigkeit oder sogar Gleichgültigkeit interpretiert wird, und das andererseits Ressentiments, Rebellion und Protest hervorruft. Andererseits spiegelt diese Realität eine tiefe Sehnsucht nach der Teilnahme Gottes am menschlichen Leiden wider, die traditionell manchmal als unmöglich angesehen wird. Solche Forderungen stellen eine Umkehrung des Gottesbildes dar, führen aber auch zu komplexen theologischen Dilemmata, einschließlich der Gefahr eines Anthropomorphismus, der das Göttliche auf das menschliche Konzept der Liebe zum Leiden und des Mitleids reduziert und Fragen nicht zulässt wie: Kann Gott für uns noch ein Gott sein, wenn er nicht leiden kann?

  

Rodger ging auch auf die Frage ein, wo der barmherzige Gott angesichts des Leidens sei. Er argumentierte, dass diese Frage von einer anthropozentrischen Perspektive ausgehe, aber eine berechtigte Frage sei, die aus dem Herzen des menschlichen Schmerzes geboren sei. Er verwies auf die Höllenfahrt Christi als ultimativen Akt der Solidarität Gottes, eine Reise in die Realität der Vaterlosigkeit, wo Christus in der Not seiner Schwäche am Kreuz schreit. Der Übergang vom Vater zu Gott sei ein tiefer Moment menschlicher Solidarität. Er sieht jeden menschlichen Schrei, jeden Moment der Verzweiflung.

 

Er untersucht den Begriff der Solidarität Gottes mit dem Leiden der Menschheit als eine Art Gleichgewicht zwischen dem Vater und jedem einzelnen Menschen. Der Schrei Christi: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» ist kein Zeichen der Verlassenheit, sondern eine Brücke, ein Weg Gottes in die Tiefe des menschlichen Leidens. Roger sprach vom kosmischen Wert der inneren Stunde der Finsternis, symbolisiert durch die Dunkelheit der Kreuzigung, das Zerreißen des Vorhangs im Tempel und die bebende Erde bei Matthäus und Markus. Dies sind keine bloßen Naturphänomene, sondern Zeichen für den Mittag Gottes selbst. Die Dunkelheit, die der Dunkelheit der Schöpfung gleicht, weist auf eine Rückkehr zu den Grundlagen des Daseins hin, in der Kenosis (Selbstentäußerung) kommt uns Gott als Vater nahe. Das Mitleiden und die Unmöglichkeit, jemanden zu retten, ohne einfach menschliche Emotionen auf ihn zu projizieren, können wir nicht nur vom Leiden des Sohnes, sondern auch vom Leiden des Vaters lernen.

 

In dieser Kenosis erscheint uns die Liebe Gottes, die das Leiden nicht auslöscht, sondern an ihm teilnimmt, als ob sie es aus erster Hand erfahren würde. Das ist der tiefste Sinn, das ist die Definition der Liebe. Um dies zu verstehen, können wir auch den Begriff der Kenosis als Selbstentäußerung Gottes betrachten. Im Leiden des Sohnes und des Vaters erfahren wir die Kenosis der Liebe Gottes. Beim Sohn geschieht dies in seiner Menschwerdung und Kreuzigung, beim Vater in seiner Bereitschaft, seinen Sohn dies erleiden zu lassen. Diese wechselseitige Kenosis offenbart einen Gott, der nicht distanziert und allmächtig, sondern zutiefst in die menschliche Existenz hineingenommen ist.

 

Jürgen Moltmann betont, dass es nicht der Vater ist, der dem Sohn die Kreuzigung auferlegt, sondern der Sohn, der sie freiwillig auf sich nimmt. Es ist ein Akt der Liebe, wenn Gott das Opfer seines Sohnes annimmt, eine Liebe, die das Leiden des Sohnes teilt. Moltmann argumentierte, dass die tiefe Trauer Gottes für das Verständnis der Kreuzigung ebenso wichtig sei wie die Teilnahme des Vaters am Leiden. Das Mitleiden Gottes zeigt, dass der Vater mitleidet. Moltmann schreibt, dass die Verlassenheit am Kreuz, die den Sohn vom Vater trennt, etwas ist, das in Gott selbst geschieht. Gott gegen Gott, Trennung, die zur Wiedervereinigung der ganzen Menschheit führt. Moltmann schreibt, dass die Schreie Christi am Kreuz «Mein Gott, mein Gott» vor Gott widerhallen.

 

Für ein tieferes Verständnis dieser Worte ist es zunächst notwendig anzuerkennen, dass dieser Tat Christi die Auseinandersetzung mit dem Gleichnis vom verlorenen Sohn vorausging, das mit seinem Bild des liebenden Vaters, der auf Adam wartet, ein kraftvolles Beispiel für Gott und sein Mitleid und seine Schlussfolgerungen bietet, wie der Literaturkritiker C.S. Lewis feststellte. Es gibt kein Entrinnen aus dem Leiden. Die Antwort ist keine intellektuelle Rechtfertigung, sondern ein Akt der Gegenwart im Leiden. Der Schrei der Gottverlassenheit ist kein Zeichen der Abwesenheit Gottes, sondern ein Zeichen seiner Gegenwart. Er ist ein Akt des Glaubens und ein Zeugnis für die beständige Kraft der Liebe

 

Die Erforschung des Mitgefühls Gottes ist keine Spekulation, sondern eine notwendige Konfrontation mit dem Problem des Bösen und des Leidens. Ist Gottes Schweigen machtlos? Ist Gottes Schweigen machtlos oder ist es ein Akt tiefen Vertrauens, der es der Menschheit ermöglicht, die volle Tragweite ihrer Entscheidungen zu erfahren? Am Karfreitagsmittag fordert Gott selbst uns heraus, unser Verständnis des Göttlichen neu zu definieren. Er lädt uns ein, Gott nicht als fernen Beobachter zu sehen, sondern als jemanden, der Mitgefühl für unseren Schmerz hat. Es ist der Kontext, in dem das Schweigen Gottes und der Mensch stehen. Es ist nicht Schweigen der Abwesenheit, sondern das Schweigen der Gegenwart. Ein Schweigen, das uns einlädt, in die Tiefe der göttlichen Liebe einzutauchen. Es ist das Schweigen, das lauter spricht als jedes Wort und uns versichert, dass wir selbst in der Dunkelheit des Augenblicks nicht verlassen sind. Und schließlich fordert uns dieses Verständnis von Gottes Mitgefühl auch dazu heraus, unsere eigenen Reaktionen auf das Leiden zu überdenken. Sind wir bereit, in den Schmerz anderer einzutauchen oder ihnen zur Last zu fallen, um unsere Anwesenheit als Zeichen der Hoffnung zu zeigen, oder wenden wir uns ab, um das Unbehagen des Mitgefühls zu vermeiden? 

 

Ich möchte mit einem Zitat eines Soldaten, Doktors und Dichters namens John MCrae aus dem ersten Korintherbrief und seinen folgenden Worten schließen. „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig, die Liebe ist nicht eifersüchtig, die Liebe ist nicht ängstlich wie ein Tier, sondern sie ist aufmerksam. Die Liebe könnte alles aufgeben und verlassen, aber sie nimmt denjenigen in Liebe auf, der Schusswunden an den Beinen hat oder Schusssplitter, die schon lange in ihnen stecken. Die Schinderei ist vorbei, aber die Freunde sind es nicht. Die Schinderei ist vorbei, aber die Freunde sind es nicht. Schließe die Augen aus Liebe, wickle sie in den Schlafsack und nimm sie mit.»

  

Vielen Dank. Es geht also nicht darum, theoretisch zu denken, wenn man mitten im Leid ist, sondern wirklich so, wie du diesen Satz des Soldaten zitiert hast, über diese Wunden und diese Augen, das hat uns sehr berührt, und deshalb bemüht sich die Ukraine wirklich, mitten in diesem Krieg, die Liebe Gottes in diesen schwierigen Umständen zu zeigen, in unserer verzweifelten Suche nach seiner Gegenwart unter uns.

 

 

Pater Oleh Kindiy, Doktor und außerordentlicher Professor für Theologie, UCU – Leiter des Zentrums für Ökotheologie und nachhaltige Entwicklung

 

Ich bin in einer Situation, in der ich mich nicht in einem normalen Umfeld befinde, aber ich werde mein Bestes tun, um einige meiner Intuitionen und Gedanken mit Euch zu teilen. Ich muss gestehen, dass ich in den letzten Jahren tatsächlich zu der Erkenntnis gekommen bin, dass unser theologisches Verständnis natürlich immer durch wissenschaftliche Forschungen aus anderen Bereichen bereichert wird.

 

Einer dieser Bereiche, der heute besonders blüht, ist die Psychologie. Und deshalb ist meine erste These oder mein erster Gedanke, dass Trauer in der heutigen populären Wahrnehmung normalerweise als ein bestimmter psychologischer Geisteszustand verstanden wird. Wir denken immer, wenn jemand trauert, bedeutet das, dass es diese psychologische Wahrnehmung gibt, dass wir es als eine Emotion betrachten sollten, in die eine Person eintritt und die manchmal für eine ziemlich lange Zeit anhalten kann, genau wie Angst oder andere Emotionen, die uns umgeben.

 

Emotionen sind äußerst wichtig für uns, und so erklären Psychologen, dass Angst, Wut, Verlegenheit, Schmerz und Trauer zu einer Gruppe von so genannten kalten Emotionen gehören, die einerseits notwendig sind, weil sie eine natürliche Reaktion auf bestimmte Umstände sind, die uns umgeben. Wenn zum Beispiel jemand stirbt, den wir lieben, dann trauern wir um diese Person. Manchmal haben wir das Gefühl, nicht mehr leben zu wollen und versinken in einen noch tieferen Zustand dieses Mitgefühls. Manchmal empfinden wir Wut und Angst, dass uns etwas zustoßen könnte.

 

Diese kalten Emotionen sind in der Tat miteinander verbunden, und diese Psychologen, ich will nicht ins Detail gehen, aber sie erklären, dass es eine gewisse Abstufung gibt. Die kälteste Emotion ist der Tod, denn wenn ein Mensch tot ist, wenn der Mensch sozusagen am kältesten ist, dann liegt über dem Tod ein kaltes Gefühl der Verlassenheit und der Depression. Ein depressiver Mensch ist also ständig mit dem Tod konfrontiert. Ein Gefühl, das über die Depression hinausgeht, ist Trauer, dann auch Wut und Angst. Alle diese Emotionen sind wichtig für uns und wir erleben sie, aber was manchmal gefährlich für uns ist, wenn wir in diesen Emotionen gefangen bleiben, dann können sie sich zu bestimmten Obsessionen entwickeln und sogar unsere körperliche Gesundheit beeinträchtigen.

 

Emotionen sind also wichtig, aber es ist wichtig, nicht in ihnen stecken zu bleiben. Auf der anderen Seite der Emotionsskala, wo Trauer eine der kältesten Emotionen ist, gibt es die so genannten warmen oder heißen Emotionen. Es ist ein gewisser Lebensrhythmus, wenn ein Mensch jeden Tag alles macht, isst, schläft, kommuniziert. Das ist die sogenannte konservative Emotion. Die konservative Emotion ist so etwas wie das Interesse am Leben, wenn wir uns entwickeln, wenn wir ständig darüber nachdenken, was es Neues gibt, was ich heute lernen werde. Wenn jemand diese Emotion hat, dann ist das ein Zeichen dafür, dass diese Person aufblüht, und es ist eine sehr heiße oder sehr starke Emotion, wenn wir Freude empfinden. Und natürlich ist das höchste Gefühl die Liebe.

 

Wenn wir uns also auf der kalten Skala befinden, ist eine Person nicht in der Lage, einfache Dinge zu tun, aber wenn wir uns auf der Skala dieser sogenannten heißen Emotionen befinden, sind wir in der Lage, sehr komplizierte Probleme schnell zu lösen. So funktioniert unser Gehirn. Und dieses Paradigma, dass wir alle in diesem Bereich von Emotionen leben, gibt mir eigentlich eine Idee, wie wir auch aus theologischer Sicht dieses Verständnis dieser Skalen vertiefen können.

 

In der orthodoxen und katholischen Tradition kann dieses Verständnis unser theologisches Verständnis vertiefen. Nun, ich nehme an, dass es in einigen katholischen und protestantischen Traditionen Gebete oder Gedenkfeiern oder die Erinnerung an die Verstorbenen gibt. In der orthodoxen Kirche haben wir gerade die Fastenzeit vor uns, in der sehr intensiv für die Kranken gebetet wird, also wir versammeln uns jeden Mittwoch und Freitag als Gemeinschaft der Gläubigen und gedenken der Verstorbenen, wir sprechen die Namen der Verstorbenen, und auch am Samstag ist das ein ganz wichtiger Teil des liturgischen Lebens, die Trauer, Denn wenn wir an die Verstorbenen denken und diese Verbindung zu ihnen haben, geschieht es sehr oft, und ich spreche als Pfarrer und Priester, ich kann bezeugen, dass diese Menschen, die dieses Gebet durchlaufen, dann auch in diesen Zustand der leichten Traurigkeit und der Trauer kommen und manchmal, wenn sie diese Kirche betreten und sich als Familie zusammenfinden, dann ist plötzlich so eine Art Glanz und Gloria da, das ist sehr, sehr wichtig.

 

Ich bin eigentlich deshalb in dieser ungewöhnlichen Situation, weil ich auf der Pilgerreise nach Rom bin und gerade 200 Meter vom Petersdom entfernt bin und ich gerade das Grab von Petrus besuchen konnte und dort so viele andere Heilige begraben liegen, so etwa der Körper des heiligen Joseph, der sich dort befindet, wenigstens ein Teil davon. Es ist ein sehr wichtiger Teil, wenn man einen Friedhof oder eine Kirche betritt. Asiatische Kirchen wurden auf den Gräbern von Heiligen gebaut und sehr oft haben die meisten Kirchen auch heute noch die Leichen von Menschen, denen wir gedenken, an die wir uns erinnern und mit denen wir eine Verbindung haben. 

 

Ich freue mich sehr, dich hier zu sehen, Pater Oleh. Ich hatte schon mehrmals die Gelegenheit, dich kennenzulernen, und du arbeitest auch in der Gedenkstätte in einem Museum in Polen. Es ist ein ganz besonderes Museum. Es ist eine Gedenkstätte in Auschwitz, nicht wahr?

 

Es ist ein Ort, an dem Kinder, Staatsoberhäupter und Menschen aus der ganzen Welt an diesen schrecklichen Ort kommen, um zu verstehen, was Leiden ist, was für sie manchmal ungewöhnlich ist, um es milde auszudrücken. Ich möchte keine sehr starke Sprache verwenden, um eine Kriegsmaschine zu beschreiben, die sozusagen Millionen von Menschen getötet hat, aber dies ist der Ort, wie die Kirche oder der Friedhof mit den Bestattungen, und auch ein Museum wie dieses ist ein Ort, an dem wir die Idee der Kostbarkeit des Lebens wieder aufgreifen.

 

Ich würde sagen, dass die heutigen Staats- und Regierungschefs der Welt, wenn sie in die Ukraine kommen, oft einen der ersten Kriegsschauplätze wie Butcha oder Irpin besuchen. Das sind Orte, an denen Menschen nicht nur getötet wurden, wie es im Krieg geschieht, sondern an denen Menschen ermordet wurden. Es gab eine ganz unmenschliche Ausdrucksform von Hass, die zum Tod von Menschen geführt hat, vielleicht nicht in dem Ausmaß wie im Zweiten Weltkrieg, aber heute sind Irpin und Butcha sozusagen kleine moderne Orte, an denen das wieder passiert ist. Das soll ihre Bedeutung nicht schmälern.

 

Ich verstehe, dass das Ausmaß vielleicht ein anderes ist, aber heute ist es so, und ich möchte betonen, dass dies leider die Orte sind, an die wir kommen müssen, und ich möchte kurz diesen Gedanken einwerfen, dass ich wirklich empfehle, dass J. D. Vance und Donald Trump nach Butscha kommen und vielleicht ihre Realität überprüfen und die ganze Idee, was richtig und was falsch ist, neu überdenken, denn wenn wir an Orte wie diesen kommen, ist dies der Ort, an dem wir die wertvolle Dimension dessen, wer wir als Menschen sind, neu betrachten können.

 

Es ist, wie gesagt, das kälteste Gefühl, aber als Christen betrachten wir den Tod nicht als das endgültige Ende des Lebens. Die Grundlage unseres Glaubens ist die Erwartung der Auferstehung, und wir haben gerade als wunderbares Geschenk Rogers Gedanken über den biblischen Zugang zu diesem Thema gehört. Wir haben viele gute Zitate darüber gehört, wie diese Passagen im Alten und Neuen Testament funktionieren. Die Bibel gibt uns ein gewisses Verständnis dafür, dass Trauer ein notwendiger Teil unseres Lebens ist, und damit auch die Trauer und das Gedenken an diejenigen, die heute von uns gehen.

 

Wenn man darüber nachdenkt, hat man oft diesen mittelalterlichen klösterlichen Ausdruck der Ewigkeit in sich, der uns hilft, besser zu verstehen, was das Leben auf der anderen Seite ist. Es gibt noch einen anderen Aspekt, den ich in dieses Gespräch einbringen möchte und der auch mit dem Fasten oder mit dieser vorösterlichen Zeit zu tun hat. Jesus sagt, dass das Fasten das Gebet intensiviert. Zwischen diesen beiden Dingen besteht ein gewisser Zusammenhang. Fasten an sich ist nichts, was uns Gnade schenkt. Das heißt nicht, dass wir heilig werden, wenn wir viel fasten, aber wenn wir bewusst verstehen, dass es bestimmte Dinge in unserer täglichen Ernährung gibt, die wir minimieren oder einschränken wollen, dann haben wir mehr Zeit für die anderen wunderbaren Dinge, die wir in unserem Leben tun sollten, für geistliche Gedanken, für das Lesen, vielleicht mehr die Bibel oder für den Besuch bei denjenigen, die im Krankenhaus sind.

 

Fasten ist eine bestimmte Lebensweise, die uns auf eine bestimmte Art und Weise schult, mit unseren Emotionen umzugehen. Wir haben die Fastenzeit im Advent vor Weihnachten, wir haben die Fastenzeit vor Ostern, wir haben andere Fastenzeiten im Laufe des Jahres, in der katholischen Tradition in unserer Kirche, aber das ist auch ein ganz wichtiger Teil, das Fasten in der evangelischen Tradition, wenn Menschen ihr Gebet intensivieren wollen, dann kommen sie in diesen Zustand, wo sie nicht nur auf Nahrung verzichten, sondern wo es darum geht, sich zu fragen: Wer bin ich? Wer bin ich, was tue ich, was sind die bestimmten Dinge, zu denen ich nein sagen sollte, indem ich auch trauere, indem ich klage, indem ich meine Sündhaftigkeit anerkenne, demütigen wir uns selbst, und das gibt uns eine gewisse Bereitschaft, vor der Herrlichkeit Gottes zur Analogie der Emotionen zurückzukehren, die unser Gehirn nicht ständig produzieren kann, wenn wir versuchen, seine Produktion durch Drogen oder Alkohol anzukurbeln. 

 

Das Gehirn erschöpft sich, also wollen wir unserem Gehirn in gewisser Weise beibringen, Freude zu empfinden, aber auch die Kostbarkeit der Traurigkeit und des Kummers und manchmal sogar der Angst in uns zu erkennen. Das sind nicht die Dinge, vor denen wir fliehen sollten, sondern wir sollten sie umarmen. Und das geschieht in der Tat, wenn wir erkennen, was Jesus für uns getan hat, als er durch den Tod gegangen ist. Aber er ist auch auferstanden, er ist vom Tod auferstanden, er hat nicht nur einen schönen Teil unseres Lebens genommen, er hat unser ganzes Leben genommen, mit unserem Weinen, unseren Bedürfnissen und unseren Ängsten. Jesus hatte eine Seele, eine echte Seele mit echten Gefühlen und mit allem, was menschlich ist, so wie wir Menschen es erleben, das ist ein sehr wichtiger, zentraler Teil seiner Identität.

 

Dann schenkt er uns Heilung, wenn wir in Gemeinschaft mit ihm sind. In der christlichen Theologie sagen wir, dass er dann in den Hades hinabsteigt. Dort geschieht, was am Kreuz geschehen ist. Nun gibt es verschiedene Bibelstellen oder verschiedene Interpretationen des ersten Petrusbriefes, Kapitel 3, 18-19, als Jesus nach seinem Tod in den Hades oder ins Gefängnis ging. Die orthodoxe Tradition besagt, dass er zu diesem Zeitpunkt in das Herz des Hades ging und dort Adam und Eva aus dem tiefsten Vergessen ins Leben zurückholte.

  

Das wichtigste Symbol der Auferstehung in der östlichen Tradition ist nicht, dass Jesus das Grab verlässt, sondern wie er in die Tiefen des Vergessens und in die Dunkelheit des Todes eintritt. Sagen wir, dass der Gang in den Hades notwendig war, um uns vom Tod zu erlösen. Nicht nur der Tod, sondern auch das Leiden, der Zorn, die Angst und die tiefe Trauer, die Christus selbst am Kreuz durchlebt hat, waren Teil der Liebe Gottes zu den Menschen.

 

Ich möchte Julia kurz dafür danken, dass sie diesen ganzen Gedanken angesprochen hat, dass Christus als Sohn diese tiefe Beziehung zum Vater hatte, die keine ideale, keine perfekte Beziehung war, sondern eine echte Beziehung, in der es Gehorsam gibt, aber auch eine gewisse Spannung zwischen Vater und Sohn. Das sehen wir am Kreuz, wo der Schmerz ein notwendiger Teil der menschlichen Empathie ist, eine tiefe Erfahrung des menschlichen Lebens, die alle Menschen auf die gleiche Ebene des Leidens und der Gerechtigkeit stellt und eine tiefe Sehnsucht nach Gerechtigkeit weckt. Dies ist auch paradigmatisch für das christliche Verständnis unserer Erlösung. Nach der Finsternis der Nacht kommt das Licht des Tages, also nach Trauer, Leid und Auflehnung die Auferstehung, das Leben und die Wiederherstellung der Harmonie.

 

 

Pater Serhij Dmytriev, Militärseelsorger der Orthodoxen Kirche der Ukraine - Vorsitzender des Vorstands von Eleos Ukraine

 

Vielen Dank, Pater Oleh, für deine Vorträge und dafür, dass du daran erinnert hast, dass dies die Zeit der großen Chancen in unserem Land ist und dass die Kirchenoberhäupter zu Beginn des Krieges gesagt haben, dass für viele von uns in unserem Land die Zeit der großen Straßen begonnen hat, Und auch dafür, dass du daran erinnert hast, dass es diese doppelte Realität gibt, in der die Ukrainerinnen und Ukrainer einerseits in Trauer, Traurigkeit und Einsamkeit leben, dass wir aber andererseits diese Lebenserfahrungen mit Inspiration und Hoffnung verbinden sollten. Darauf käme es jetzt an. Ich danke Dir, dass Du uns das so deutlich gemacht hast.

 

Nun bitte ich Pater Serhiy Dmytriev, er wird Ukrainisch sprechen, und wir werden ihm helfen, ins Englische zu übersetzen. Pater Serhiy ist Militärpfarrer der Orthodoxen Kirche der Ukraine und er ist auch Vorstandsvorsitzender von Eleos Ukraine. Er begegnet dem Krieg sowohl als Militärseelsorger als auch als Leiter des Sozialministeriums in der Ukraine. Pater Serhiy, könntest du uns bitte von deinen Erfahrungen mit der Gegenwart Gottes an Orten des Leidens wie in Butsha und Irpin erzählen und davon, wie man die Gegenwart Gottes sieht und sie den Menschen erklärt, die leiden und sich einsam fühlen?

 

Es ist mir eine Ehre, unter so großen und gelehrten Theologen und Professoren zu sein. Ich bin kein Professor, ich bin kein Theologe, also bitte ich um Verständnis und entschuldige mich, dass ich kein Englisch spreche. Ich spreche nur Ukrainisch. Diese Stadt Lemberg ist wirklich ein wichtiger Ort für mich, weil ich dort früher und jetzt ein Heim für Frauen leite, die als Kinder gelitten haben. Am zweiten Tag nach der Befreiung von Butcha bin ich mit Militärs in die Stadt gekommen und wir haben gesehen, dass noch immer Leichen von Zivilisten und Hunde und andere Haustiere auf den Straßen herumliefen.

 

 Aber ich möchte mit etwas anderem beginnen: Das Wissen, das wir durch unsere Trauererfahrung erlangen, unterscheidet sich vom allgemeinen Wissen. Was ich über die Menschen dachte, die vor den Kriegen in Afrika oder aus dem Foltergefängnis Sednaja in Syrien fliehen mussten. Ich bin sicher, dass ich den syrischen Bürgerkrieg und die Angriffe auf einige Städte und die Menschen in Al-Muthaqa heute als Mensch etwas besser verstehe. Ich möchte diesen Menschen mein Beileid aussprechen.

 

Es geht mir so, wie es einige schon gesagt haben, dass für mich die alte Theologie danach nicht mehr existiert. Es ist eine andere Theologie, die aufgrund all dieser Ereignisse in der Welt entwickelt werden muss. Meine Erfahrung mit diesem Krieg ist, dass ich seit 11 Jahren im Krieg bin. Als Militärpfarrer habe ich viele Menschen beerdigt. Als Militärseelsorger, als Priester, als Mensch helfe ich anderen, das durchzustehen. Ja, und auch zu verstehen, wie sich die Menschen im Krieg fühlen.

 

Zunächst einmal ist es ein Schrei nach Gerechtigkeit und wir wollen, dass die Wahrheit siegt. Wir wollen die ganze Welt fragen: Weshalb sieht die Welt für uns so aus? Wo gibt es eine Gerechtigkeit, die man finden kann. Gerechtigkeit. Ein grosses Wort. Die Welt beobachtet uns und der erste Wunsch ist das Gute. Meine einfache Erfahrung als Priester und Mensch ist, dass Gott diesen Kummer, diese Gewalt zulässt. Ich möchte sagen, dass nicht Gott diesen Krieg zulässt, sondern jeder Krieg einen Menschen, der ihn zulässt. Das ist nicht der Wille Gottes, sondern von diesen bösen Person verursacht worden, dieser einfach nur kriminellen Person, die einfach böse ist, ja, und alle Menschen, die uns beobachten, werden zu bösen Menschen, zu Kriminellen, da sie keine Teilnehmer dieses Verbrechens sind und da sie ja nur zuschauen, sie nicht tun, sind dem Bösen gegenüber gleichgültig. Sicher ist es böse, aber was sollen wir denn tun, und weiter, was zum Beispiel ich als Priester tun, was sollen wir mit Menschen tun, die in in dieser Welt leben. 

 

Wir müssen sie lehren, das Leben zu lieben, damit es einen Ruf nach Rache nicht geben muss, aber Rache wäre nicht genug, selbst wenn man sieht, dass es dem bösen Menschen Spaß machen würde, wäre das nicht gut. Spirituelle Menschen, Gläubige, die in die Kirche gehen, können anderen Menschen ein Beispiel sein und ihnen zeigen, wie man das Leben liebt. Glaube ist eine Quelle der Liebe für unser Leben und ich als Priester kann sagen, dass mein Glaube mir hilft, damit zu leben. Vielleicht können Menschen aus anderen Konfessionen andere Dinge nennen, aber für mich ist es, Schmerz zu heilen, Liebe. 

 

Aber um andere mit Liebe zu heilen, braucht man kein theoretisches Wissen, sondern unsere erste Aufgabe ist es, so zu handeln, wie es in dem Buch „Krieg“ steht, das eines meiner Lieblingsbücher ist. Wir wissen, dass der ernsthafte Krieg, wie ich vermute, eine neue Theologie sein sollte, in der wir unsere eigene Position einnehmen. Jeder Mensch sollte auf der Seite des Bösen oder auf der Seite des Guten stehen, und ich werde meine Gemeinde, die Menschen, die ich kenne, nicht beschuldigen, aber ich weiß, ob sie auf der Seite des Bösen oder auf der Seite des Guten stehen. Ich weiß, dass das Böse auf der ganzen Welt geschieht, aufgrund der Tatsachen in dieser Welt und all dieser Berichte über Folter und gefolterte Menschen, ermordete Menschen auf der ganzen Welt, in Afrika, in Syrien, in der Ukraine. Das alles ist nicht von Gott, das ist von einem anderen Menschen.

  

Vielen Dank für Deinen Beitrag, in dem Du uns darauf aufmerksam gemacht hast, dass der Krieg konkrete Phasen hat und dass diejenigen, die ihn führen, nicht Gott sind, dass der Krieg konkrete Phasen hat und dass diejenigen, die den Krieg begonnen haben, auch konkrete Ziele haben, die wir ihnen zum Beispiel nennen können und auch darauf hinweisen können, dass es sehr wichtig ist, nicht neutral zu sein, nicht nur in diesem Krieg, sondern in allen Kriegen, die in der Welt stattfinden, und auf der Seite des Guten und auf der Seite des Lebens zu stehen.

 

 

Dr. Taras Dyatlik, Vizerektor für Entwicklung und internationale Zusammenarbeit am Osteuropäischen Institut für Theologie - Leiter der Sozialarbeit bei Scholar Leaders International, Berater für theologische Ausbildung beim Overseas Council-United World Mission

  

Wir kommen nun zu unserem nächsten, letzten, aber auch sehr wichtigen Redner, der gerade ein Seminar in Moldawien organisiert hat. Es ist interessant, dass einer aus den USA in die Ukraine kommt und zwei weitere Redner nach Europa kommen, aber ich denke, sie haben auch dort eine wichtige Mission zu erfüllen. Taras ist Vizedirektor für Entwicklung in der Internationalen Gemeinschaft.

 

Wie ihr alle wisst, ist er sein Bruder im Krieg, aber er ist ein aktiver Diener in seiner Gemeinde, in seiner pastoralen und sozialen Arbeit, wo er eng mit Menschen zusammenarbeitet, die Leid und Not erfahren. Die Frage ist: Was würdest du tun, um den Trauernden Trost zu spenden? Du teilst deine Gedanken über deine Trauer oft auf verschiedenen sozialen Plattformen. Wenn du ins Ausland reist, triffst du oft Menschen, die die Realität des Lebens in der Ukraine nicht vollständig verstehen, und manche glauben sogar den russischen Erzählungen, dass die Ukrainer einfach erschöpft sind und um jeden Preis Frieden suchen sollten.

 

Wie sprichst du über deinen Schmerz, indem du auch zeigst, dass es ein Weg ist, den wir gehen müssen, und dass unsere Stärke unsere Zerbrechlichkeit stärkt und uns die Widerstandskraft gibt, weiterzumachen? Das Wort gehört dir.

  

Liebe Freunde, Christus ist auferstanden! Ich bin auf dem Weg nach Hause, in die Ukraine, aber ich habe es nicht geschafft, rechtzeitig zu Euch zu kommen, aber ich freue mich, Euch alle zu sehen und danke Euch für die Einladung. Als Ukrainer befinden wir uns heute tatsächlich in einer Zeit wie am Karsamstagmittag, in dieser damals sehr angespannten, ungewissen Zeit zwischen Kreuzigung und Auferstehung. Wir haben unsere Lieben begraben, aber wir warten hartnäckig auf den Morgen, der unendlich weit entfernt scheint. Dieser Brief an meinen Bruder Andrij entsteht in diesem theologischen Grenzbereich, wo Glaube auf unbändige Trauer trifft.

 

Was folgt, ist keine akademische Theologie, sondern leibhaftige Theologie, in Tränen geschrieben, in Ritualen gesprochen, in Prozessionen verkörpert ... Am 21. Juli 2024, um 6.30 Uhr morgens, hörte das Herz von Andrij Dyatlik, Oberleutnant im Sanitätsdienst, auf zu schlagen. Mein jüngerer Bruder - ein begabter Militärarzt, ein treusorgender Sohn und ein geliebter Freund - war am 6. Juli, seinem 33. Geburtstag, von den Russen in der Region Cherson schwer verwundet worden. Die Symbolik seines Alters, das den irdischen Jahren Christi entspricht, ist unserer trauernden Familie nicht entgangen.

  

Am 24. Juli begleitete ich Andrijs Leichnam vom Unabhängigkeitsplatz in Riwne zu seiner letzten Ruhestätte in der Heldenallee auf dem Friedhof „Nove“. Dieses Begräbnis war der dritte schreckliche Verlust unserer Familie durch die russische Aggression - ein Bruder und zwei Mitglieder der Großfamilie. Noch während wir um Andrij trauerten, dienten vier weitere Familienmitglieder an vorderster Front in den Schützengräben, was unsere Trauer in einen Zustand ständiger Wachsamkeit verwandelte.

 

Mit dieser überarbeiteten Darstellung meines Briefes an meinen Bruder versuche ich, eine Theologie der Trauer zu formulieren, die nicht aus den abstrakten Prinzipien der systematischen Theologie, sondern aus der nackten Wirklichkeit der Särge mit den Fahnen und der knienden Gemeinden auf den Straßen erwächst. Ich erlebe, wie der Glaube einen Raum schafft, in dem der Protest gegen das Böse und die Hoffnung auf die Auferstehung widerspruchsfrei nebeneinander bestehen können, wie unser nationales Trauma in gemeinsamen Symbolen und Ritualen zum Ausdruck kommt und wie eine authentische theologische Reflexion aus dem Leid eines umfassenden Krieges erwächst. Keine Kirche und kein Seminar kann uns eine einfache Antwort auf unsere Frage nach dem Bösen geben, aber sie können den Trauernden beistehen, die ganze Tiefe unseres Schmerzes anerkennen und gleichzeitig auf die Hoffnung der Auferstehung hinweisen.

 

Dieser Brief an meinen Bruder zeugt von dieser Spannung, der unmöglichen Herausforderung, von Gottes Güte aus dem Tal des Todesschattens heraus zu sprechen.  

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Theologinnen und Theologen, ich lege dieses intime Zeugnis ab, um zur Entwicklung pastoraler Ansätze beizutragen, die weder die Realität des Traumas verharmlosen noch sich der Endgültigkeit der Verzweiflung ergeben.

 

 

Lieber Bruder Andriy, an diesem heiligen Ort zwischen Himmel und Erde schreibe ich Dir als Bruder und Theologe, auch wenn die Stimme des Bruders heute lauter schreit. Der Psalmist spricht von Wassern, die die Seele überfluten. Ich verstehe das jetzt nicht als Metapher, sondern als erlebte Realität. Meine Theologie hat sich in Tränen verwandelt.

 

Als ich die Nachricht von deinem Tod erhielt, erlebte ich das, was die alten Hebräer „shevirat ha-lev“ nannten - das Zerbrechen des Herzens. Wir waren sechs Brüder, jetzt sind wir nur noch fünf, und in dieser numerischen Verkleinerung liegt eine kosmische Verkleinerung. Der Gott, der die Sterne zählt und sie beim Namen nennt, hat tatsächlich gespürt, wie sich das Universum zusammenzog, als dein Name von der Gegenwart in die Vergangenheit wechselte. Wie David damals, als er den Tod seines Freundes Absalom betrauerte (obwohl du gar nicht Absalom bist), so rufe ich heute: „Mein Bruder, mein Bruder! Wäre ich doch an deiner Stelle gestorben!

 

In diesem „Van“ auf dem Weg zur «Allee der Helden» saß ich neben Deinem mit Fahnen bedeckten Sarg als „homo dolens“ und „homo theologicus“ - der leidende Mensch und der theologische Mensch, vereint in einem gebrochenen Körper. Der dunkle Lack Deines Sarges spiegelte meine Fragen nach der göttlichen Gegenwart im Tal des Todesschattens wider. Ich vertraue darauf, dass du bei Christus bist, aber mein begrenztes Verständnis kann die Kluft zwischen hier und dort nicht überbrücken. Das ist das „mysterium tremendum“ des Todes - schrecklich in seiner Gewissheit, geheimnisvoll in seinem Übergang vom Tod zum neuen Leben.

 

 

Die weißen Trauerbänder um den Sarg sprechen eine visuelle Theologie der Reinheit und des Verlustes. Wie die zerrissenen Kleider der Trauernden in der biblischen Geschichte machen sie unsere innere Zerrissenheit sichtbar. Diese Bänder verbinden nicht nur Deinen Sarg, sondern auch die kollektive Wunde unserer Familie: Eltern, die ihr Kind nicht überleben sollten, Schwestern, die ihren Beschützer verloren haben, und Deine fünf Brüder, deren Kreis nun unvollständig ist. In unserer Tradition sprechen wir vom nahtlosen Gewand Christi; im Tod ist es zerrissen, aber wir vertrauen darauf, dass es in der Auferstehung neu gewebt wird.

 

Dieses Holzkreuz vor mir, eingehüllt in ein besticktes Ritualtuch, ist das zentrale Paradoxon unseres Glaubens - das Hinrichtungsinstrument, das zum Symbol der Transzendenz geworden ist... Dein Name, der darauf eingraviert ist, reiht sich ein in die große Gemeinschaft der Heiligen, die vor uns durch das Tor des Todes gegangen sind. Ich erinnere mich, wie ich von Bonhoeffers „Preis der Nachfolge“ gesprochen habe - und ich hätte nie gedacht, dass dieser Preis so wörtlich, so endgültig sein würde. Aber selbst in meiner Trauer höre ich das Echo von Ostern: „Das Kreuz ist leer, Christus ist auferstanden“. Das ist unsere persönlich gewordene ‚theologia crucis‘ - keine abstrakte Theologie, sondern gelebte Wirklichkeit.

 

Der immergrüne Zypressenkranz in der Ecke hält seine stille Predigt der Unsterblichkeit. Während dein Körper durch die russische Gewalt zerstört wurde - eine Manifestation der Fähigkeit der gefallenen Welt zum Bösen, die so viele noch immer im Namen der so genannten traditionellen christlichen Werte zu rechtfertigen versuchen - erinnert mich die Zypresse daran, dass dein Wesen weiterlebt. Augustinus schrieb, dass das Böse ein Mangel ist, die Abwesenheit des Guten; dein Tod ist ein solcher Mangel, ein Loch, das in das Gefüge der Schöpfung gerissen wurde.

 

Aber unser Glaube verkündet, dass das, was als Abwesenheit erscheint, lediglich ein Übergang ist ... Das Weiß, das auf den Zweigen Reinheit symbolisiert, erinnert mich an die Verheißung der Offenbarung: Diejenigen, die im Blut des Lammes gewaschen wurden, stehen in weißen Gewändern vor dem Thron. Ich stelle mir vor, dass du jetzt dort bist, Andriy, gekleidet in die Würde der Auferstehung.

 

Wenn ich durch das Fenster auf die Versammelten auf unseren Maidan blicke, werde ich Zeuge der „Communio Sanctorum“ – der Gemeinschaft der Heiligen, die sichtbar wird. Diese trauernden Bürger bilden ein irdisches Echo der himmlischen Versammlung. Das Buch Hebräer beschreibt eine „große Wolke von Zeugen“, die uns umgibt; heute materialisieren sie sich in Fleisch und Tränen ... Ihre Anwesenheit bildet eine liturgische Gemeinschaft, die an dem teilnimmt, was die frühe Kirche als „Heiliges Gedenken“ bezeichnete. In ihren Gesichtern sehe ich das Abbild Gottes, das sich selbst in der Trauer widerspiegelt: Jeder Mensch trägt Gottes Abbild, wenn er deines ehrt.

 

Die Prozession durch die Straßen von Riwne ist eine öffentliche Theologie der Klage. Wenn Fahrer und Beifahrer anhalten und niederknien, bevor wir vorbeifahren, erlebe ich einen sakramentalen Moment: Das Alltägliche verwandelt sich in ein heiliges Zeugnis ... Du bist so oft im Gebet niedergekniet, Andrij, jetzt knien andere für dich nieder. Das ist Kenosis: Selbstentäußerung vor dem Geheimnis. Dein Kniefall stellt die Frage, die mein Herz immer wieder stellt: Wird dieses Opfer, zusammen mit so vielen anderen, unserem leidenden Volk endlich Erlösung bringen? Wie Abraham, der zum Berg Moria geht, gehen wir zur Allee der Helden, tragen unser geliebtes Opfer und stellen uns der schwierigsten Forderung des Glaubens.

 

Unsere private Trauer wird in der Allee der Helden zur nationalen Klage über alle unsere Verluste. Wie die alten Israeliten, die gemeinschaftliche Trauerrituale schufen, nehmen wir an der kollektiven Verarbeitung des Traumas teil. Deine 33 Jahre, die die irdische Lebensspanne Christi widerspiegeln, fügen sich nun in die theologische Erzählung von der aufopfernden Liebe ein. „Niemand hat größere Liebe als der, der sein Leben hingibt für seine Freunde“, heißt es im Evangelium. Deine ärztliche Berufung zum Heilen hat sich in eine andere Art des Heilens verwandelt, die für uns einen schrecklichen Preis hat.

 

Ich will dich nicht gehen lassen, Andrij. Mein Wesen sträubt sich gegen diese letzte Anerkennung, so wie Jakob mit dem Engel rang und einen Segen verlangte, bevor er entlassen wurde. Aber ich muss üben, was die Mystiker „heilige Gleichgültigkeit“ nannten, die schmerzhafte Hingabe an den göttlichen Willen. Dich nicht vergessen, sondern dich unserem Gott anvertrauen, der die Auferstehung verheißt. Dein Leib bleibt auf dieser Erde bis zur Auferstehung, aber dein Geist wohnt schon dort, wo „der Tod nicht mehr sein wird, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz“.

 

Bis wir uns in der Fülle des Königreichs wiedersehen, bleibe ich dein Bruder im Fleisch und im Geist. Wie die Jünger nach der Himmelfahrt Christi blicke ich zwischen zwei Welten. Ich ehre deine Abwesenheit hier und vertraue auf deine Anwesenheit dort. Heute geschieht der Karsamstag unserer Familie: zwischen dem Schmerz der Kreuzigung und dem Versprechen der Auferstehung. Wir werden dein Andenken und deine Hoffnung weitertragen, während wir unsere Reise auf diesem stillen Planeten fortsetzen.

 

Im Namen Christi, der selbst den Tod in eine Tür verwandelt, dein älterer Bruder Taras

 

Lieber Taras, vielen Dank, dass du deine Gedanken mit uns geteilt hast. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass mehr Menschen in der Ukraine und im Ausland wissen, was ihr hier wirklich erlebt habt, welche Gefühle, welche Emotionen wir während dieses Krieges hatten, und ich würde deinen Brief als eine Begegnung zwischen Tod und Hoffnung bezeichnen, wie du weißt, und es ist eine sehr paradoxe Begegnung, aber es ist eine Begegnung in der Realität, die wir gerade erleben.

 

 

Diskussion

 

Wir sind am Ende unserer Sitzung angelangt, und zwei Personen haben sich bereits zu Wort gemeldet, so dass ich zuerst Pater Ivan das Wort erteile und dann ..... Jeder von uns darf eine Frage stellen.

  

 

Ich weiß nicht, an wen ich meine Frage richten soll. Ich bin seit fast 54 Jahren Priester. Ich habe Moltmanns „Theologie der Hoffnung“ gelesen. Ich hatte einen großen Vater, den Kardinal und Patriarchen der ukrainischen katholischen Kirche, der uns gelehrt hat, dass das Böse nicht lange währt, aber in diesen Zeiten des Krieges werde ich oft gefragt: Als Christus am Kreuz starb, was hat er gesagt? "Mein Herr, mein Herr, warum hast du mich verlassen?

 

 

Dasselbe gilt für Putin, der seit 25 Jahren Präsident der Russischen Föderation ist und uns diesen Krieg bringt? Das Paradoxe ist, dass es 1938 viele Attentate auf Hitler gab, ganz zu schweigen von Stauffenberg 1944, den Hitler überlebt hat. Warum hat Gott zugelassen, dass Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten wird und all die Verwirrung stiftet, die wir heute erleben? Trump sagt sogar, Gott habe ihm geholfen, dem Attentat zu entkommen, bei dem er eine leichte Verletzung am rechten Ohr erlitt.

 

 

Ich höre deine Fragen und fürchte, ich habe keine befriedigende Antwort. Kann mir jemand von euch, die ihr uns eure Ansichten über diese Theologie der Trauer dargelegt habt, eine Antwort auf diese Fragen geben? Warum hat Gott es zugelassen, dass solche Menschen so viel Böses tun und der heutigen Welt so viel Schaden zufügen? Ich danke Dir. Ich denke, diese vielen Warum-Fragen sind sehr natürlich und sehr angebracht. Wir müssen uns diesen Warum-Fragen stellen. Jesus selbst hat diese Frage am Kreuz gestellt. Er zitierte den Psalm 22: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?"

 

Ich finde es sehr interessant, dass Jesus direkt aus Psalm 22 zitiert, und wir sehen das auch in Psalm 23: «Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde.» Und ich denke, dass die Antwort auf die Frage, warum, uns im Psalm 23 gegeben wird, dass Gott mit uns ist, auch in der Zeit des Bösen. Nun, ich denke, wenn wir mit dieser Frage ringen, dann sollten wir sie eigentlich nicht mehr stellen, denn Warum-Fragen sind in der Regel eine Sackgasse, auf die wir nie eine befriedigende Antwort geben können. Aber angesichts des Bösen müssen wir die Frage unseres Volkes beantworten. 

 

Ich glaube, das ist es, was wir jetzt tun: Wir geben nicht auf. All die Beiträge, die wir gerade gehört haben, sprechen von Hoffnung und Trost, und all die Pfarrer, die wir erwähnt haben, diese Seelsorger, sie geben nicht auf angesichts des Bösen. Die Fragen nach dem Warum sind sehr schwer zu beantworten, und wahrscheinlich gibt es keine befriedigenden Antworten.

 

 

Die Antwort, die ich am besten verstanden habe, ist die von Leslie Weatherhead, der versucht hat, die Frage nach dem Warum zu beantworten, wo Gott in all dem ist. Er benutzte den Begriff des freien Willens. Hitler, Putin, Trump, sie alle haben den gleichen freien Willen wie du und ich. Die Entscheidungen, die sie treffen, mögen uns nicht gefallen, aber wenn Gott uns nicht zu Marionetten macht, sind wir keine Automaten, die er kontrolliert. Es gibt Gutes und es gibt Böses, also denke ich, dass unsere Antwort auf die Frage nach dem Warum ist: Wir haben vielleicht keine befriedigende Antwort, aber wir können die Frage beantworten, was Christen inmitten dieses Krieges tun. Und ich glaube, die Ukraine braucht den christlichen Glauben jetzt mehr denn je. Sie braucht Pfarrer und Seelsorger und Orte wie die Theologische Universität und das Priesterseminar der Ukraine. Sie braucht uns mehr denn je.

 

Eines Tages wird der Krieg vorbei sein und eure Kinder, eure Enkelkinder, werden euch fragen, was ihr getan habt, als die Russen in die Ukraine einmarschierten, und ich hoffe, wir können sagen, dass wir treu waren, dass wir Gott durch Jesus Christus treu waren. Glaubt ihr, dass unsere Antworten diese Mütter, diese Ehefrauen, diese Brüder und Schwestern zufriedenstellen werden, die Mitglieder ihrer Familie verloren haben? Ich weiß auch, dass wir viele verschiedene Antworten auf diese Fragen in der Bibel finden, aber es gibt eine, die mir am besten gefällt.

 

Ja, ich erinnere mich nicht an die genauen Stellen, aber es gibt diese Fragen in der Bibel, also haben wir solche Worte, also Gott sagt, ich wende mich dem Klagen und Weinen meines Volkes zu und frage mich, wen ich zu ihnen schicken kann. Übertragen auf uns: Ich möchte, dass meine Leute meine Botschaft als lebende Plakate tragen und damit in die Büros dieser Trumps und anderer Präsidenten gehen, mit Fotos von gefolterten Kriegsgefangenen, so wie es unser Präsident getan hat. Sie sollten sie diesen Präsidenten und ihren Leuten zeigen und sie bitten, uns wirklich zu helfen, diesen Krieg zu beenden. Soweit ich sehe, sind einige Präsidenten noch nicht so weit, wie sie sein sollten. Die Menschen in unseren Kirchen sollten die Stimme unseres Volkes sein und die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf unser Problem lenken.

 

 

Ich möchte vor allem Taras Dyatlik dafür danken, dass er mit uns das Zeugnis seines Schmerzes und seiner brüderlichen Liebe geteilt hat, den Schmerz seiner Familie und seiner Verwandten, indem er uns auch eine sehr authentische Theologie der Trauer vorgestellt hat. Eine Theologie der Trauer ist für mich keine Theologie des besiegten Leidens, auch wenn es in der Bibel viele Texte gibt, die von Hoffnung, Auferstehung, Sieg und neuem Leben sprechen. Eine Theologie des Leidens muss eine Theologie des Leidens mitten im Leiden sein und im Leiden gelebt werden können. Anders geht es nicht.

 

 

Ich danke auch Dir, Taras, für Dein Zeugnis und Dir, Pater Dimitri, der Du uns auf die für uns so wichtige symbolische Bedeutung des Karsamstags aufmerksam gemacht hast. Diese Bedeutung ist für mich sehr bewegend und weist uns darauf hin, dass wir immer dort präsent sein sollten, wo trauernde Menschen sind, wie Rut im Fall von Noemi. Es geht nicht darum, dann schon zum Ende des Buches, zum Ende der Geschichte zu gehen, sondern bei Noemi und ihrer Trauer zu sein, wie wir es im Buch Rut finden, wo wir erst am Ende etwas Hoffnung finden.

 

Die Trauer, von der in diesem Buch die Rede ist, die Trauer der Noemi, fordert uns alle heraus, bei der Trauer unseres Volkes zu sein. Aber ich glaube, der Karsamstag zeigt uns noch eine andere, menschlichere Seite, wo Christus in die Hölle hinabsteigt. Christus zeigt sich in der Trauer unter uns Menschen. Deshalb möchte ich Julia Vintoniv fragen, weil ich glaube, dass du sehr nahe dran warst, als du von der symbolischen Bedeutung des Karsamstags gesprochen hast, die gerade für uns heute sehr wichtig ist: Kannst du uns noch etwas mehr über die Symbolik des Karsamstags in deiner existenziellen Theologie sagen?

 

 

 

Die Stille des Karsamstags ist etwas ganz Besonderes in der Bibel. Und der Karsamstag ist sehr wichtig für eine Theologie der Gottverlassenheit. Die Fastenzeit ist eine Zeit des Schweigens, des Wartens, eine Zeit der Abwesenheit Gottes. Eine Zeit des Schweigens, des Versuchs zu überleben, des Fragens, des Hörens auf mein Herz, dann brauche ich einfach Stille, keine Worte. Vielleicht finde ich dann etwas. Dieses Schweigen gibt mir einen gewissen Frieden. Ich weiß nicht, ob ich dabei Frieden finde, aber der Gedanke fasziniert mich.

 

 

Ich habe auch Pater Dimitri gehört, der sehr existentiell von seinen Erfahrungen gesprochen hat, wie er versucht, bei den Menschen zu sein, bei den Soldaten, bei den Menschen, die ihre Angehörigen verloren haben, einfach bei den Leidenden zu sein, gemeinsam die Trauer auszuhalten. Deshalb möchte ich ihn auch fragen, wie diese symbolische Bedeutung des Karsamstags, oder anders gesagt, diese dunkle Wirklichkeit des Karsamstags für dich ist, was sie für dich bedeutet und wie du davon zu den Menschen sprichst, damit sie nicht von der Dunkelheit überwältigt werden? Gerade für aktive Christen scheint mir der Karsamstag sehr wichtig zu sein, dass sie diese Leere annehmen, diese Trauer annehmen, wenn sie den Tod anderer erfahren. Für diejenigen, die keine aktiven Christen sind, sieht es aber wohl anders aus. 

 

Ich verstehe, von welchen Menschen Sie sprechen. Als Priester war ich auf diesen Krieg schon vorbereitet, weil ich 18 Jahre lang als Krankenhausseelsorger Menschen begleitet habe, die unheilbar krank waren, Menschen, die im Sterben lagen. Vielleicht ist es dieses «carrying another’s burdens», das gemeinsame Tragen von Lasten, wo wir den Karsamstag erleben, und vielleicht ist es auch das, was Gott in der Bibel gemeint hat als so etwas wie unsere gemeinsame Wächteraufgabe? Die ersten Menschen wurden aus dem Paradies vertrieben, also hat Gott ihnen so etwas wie diesen Wächter gegeben, einen Beistand und Schutz, damit sie überleben.

 

 

Ich möchte aber hinzufügen, dass ich den Menschen, die ich in den Krankenhäusern betreue, den Sterbenden immer sage, dass sie ihre Trauer, ihr Leid überwinden sollen, dass sie ihr Leben gewinnen sollen, dass sie Sieger bleiben sollen, dass sie alles Leid überwinden sollen. Wer gekämpft hat, kann gewinnen. Es ist so etwas wie die Erfahrung Christi in der Hölle, und wir können nur nach Trauer und Leid auferstehen. 

 

 

Schlussfolgerungen

 

Okay, ich denke, dass wir am Ende unseres Seminars einige Schlussfolgerungen ziehen müssen, und ich bitte unsere Teamsprecher, in einer Minute ihre abschließende Schlussfolgerung zu präsentieren, was das Wertvollste wäre, das Sie am Ende dieses Treffens mit dem Publikum teilen möchten.

 

 

I: Ich möchte Ihnen nochmals für dieses Seminar danken. Ich glaube, ein letzter Gedanke, den ich habe, ist, dass wir über die Theologie der Trauer gesprochen haben, und ich glaube, dass die Trauer nicht der Feind ist. Wir könnten manchmal denken, wenn ich nur die Trauer loswerden könnte, dann wäre mein Leben perfekt, dann wäre das Leben Nirvana, es wäre der Himmel. Wir alle wissen, dass wir in Wirklichkeit die ganze Zeit trauern. Ich meine, die Ukraine trauert auf einzigartige Weise wegen des Krieges, aber ich bin 78 Jahre alt und ich habe mein ganzes Leben lang getrauert, aus verschiedenen Gründen, wegen des Todes von Eltern oder Großeltern, wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes, wegen Beziehungen, wegen des Verlustes der Gesundheit, wegen der Einschränkungen, die das Alter mit sich bringt.

 

II: Das eigentliche Thema, über das wir heute gesprochen habe , ist meiner Meinung nach nicht, wie man die Trauer loswird wird, sondern wie man damit umgeht, denn wenn wir uns nicht mit dem Kummer auseinandersetzen, wird der Kummer sich mit uns auseinandersetzen. Und das ist manchmal nicht sehr schön. Noemi in der Bibel ist ein gutes Beispiel, und sie brauchte Rut, die an ihrer Seite stand. Ruth bedeutet Freundin auf Hebräisch, also war Ruth ihre Freundin und ihre Helferin, und Ruth war ihre Schwiegertochter, und ich glaube, in dieser Theologie geht es vor allem darum, dass wir einfach im Leiden der anderen präsent sind, so wie ich es als Seelsorger in meiner Kirche versucht habe. Ich habe 500 Beerdigungen gemacht, war also die ganze Zeit mit den Leuten auf dem Friedhof, und manchmal war ich einfach da als christlicher Bruder, der sagt, ich sorge mich um dich. Ich glaube, wenn es uns gelingt, eine hilfreiche Theologie der Trauer zu entwickeln, dann geht es darum, dass wir erkennen, dass Gott manchmal auch in seiner Abwesenheit bei uns ist. Gott ist bei uns und sagt: Habt Hoffnung, habt Zukunft, denn Jesus Christus ist auch die Hoffnung auf unsere Auferstehung.

 

III: Meine abschließende Bemerkung ist, dass wir heute in der Ukraine in einer Zeit leben, die wir Renaissance nennen können, wenn wir Golgatha erleben und die Ermutigung, die ich in den sieben Ausrufen Jesu am Kreuz finde, und ich denke, das ist für mich der biblischste existenzielle Ausdruck von Trauer, wenn Gott am Kreuz ist und zu den Menschen spricht und zu Gott und zu den beiden Verbrechern an seiner Seite und auch zu den römischen Soldaten, dann finde ich die Ermutigung besonders, als Jesus am Kreuz gekreuzigt wurde, er hat auch gelitten, aber er hat auch für Gemeinschaft gesorgt. Er sagte zu Maria: "Das ist dein Sohn". Und zu Johannes: "Das ist deine Mutter." Ich glaube, das ist unsere gemeinsame Aufgabe als ukrainische Kirchen und auch als ganze ukrainische Nation. Wenn wir heute leiden und trauern müssen, dann sollten wir alle lernen, Gemeinschaft zu pflegen, neue Verbindungen, neue Beziehungen, neue Empathie aufzubauen. Das ist mein Gebet. Danke, wenn Sie sich auf andere Weise engagieren, aber das ist mein Schlusswort.

 

IV: Ich glaube, das ist unsere gemeinsame Aufgabe als ukrainische Kirchen und auch als ganze ukrainische Nation. Wenn wir heute leiden und trauern müssen, dann sollten wir alle lernen, Gemeinschaft zu pflegen, neue Verbindungen, neue Beziehungen, neue Empathie aufzubauen. Das ist mein Gebet. Ich danke Ihnen, wenn Sie sich auf andere Weise engagieren, aber das ist mein Schlusswort.

 

Ich danke allen für ihre Bereitschaft, über dieses sehr wichtige Thema zu sprechen. Entscheidend ist, dass wir alle dort sind, wo Gott ist, nämlich bei den Menschen, die unter uns leiden, auch wenn wir selbst keine klaren Antworten auf ihre Fragen haben. Aber wir haben einige Ansätze gesehen, die hilfreich sind, einige Richtungen, in die wir gehen können, in diesem großen Land bis zum Tod und zur Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus. Gott segne euch alle. Möge Gott alle segnen, die in der Ukraine und anderswo leiden. Möge Gott diese totale russische Aggression stoppen und Zeuge unseres Leidens sein, das unsere Hoffnung auf Jesus in neues Leben verwandeln kann.

artikel "the grief/Faith and the disabling effecht of unresolved Grief" (rOGER MURCHISON)

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