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Kunst und Graubünden - Teil 1: St. Peter Mistail

 St. Peter Mistail

 

Seit wir verheiratet sind (1989) verbringen wir mit ganz wenigen Ausnahmen unsere Sommerferien in Graubünden. Der alpine Kanton mit seiner sprachlichen (deutsch, rätoromanisch in verschiedenen Idiomen und italienisch), landschaftlichen und kulturellen Vielfalt fasziniert uns und ist uns zur "zweiten Heimat" geworden. Längst haben wir noch nicht alle 150 Täler entdeckt. Unsere Schwerpunkte sind das Prättigau, das Albulatal, das Unterengadin, das Puschlav und das Bergell.

 

 Es ist ein Gebiet voller Kunstschätze - uralte Sakralkunst, aber auch neuere Kunst wie von Giovanni  Segantini und den weltweit bekannten Alberto Giacometti, dessen Werke heute zu Höchstpreisen gehandelt werden. 

 

Mein Herz liegt vor allem bei der uralten Sakralkunst. Sie sind wie eine aufgeschlagene Bibel und wurden zu einer Zeit geschaffen, als nur wenige bereits lesen konnten. Durch die Bilder begegneten die Menschen der zentralen Botschaft des Evangeliums - und sie tun es heute noch in einer Welt, wo das Dargestellte nicht einfach allgemein bekannt ist und so zur eigenen Erforschung und Entdeckung einlädt.

 

 Meine Reise beginnt in Mistail unweit von Tiefencastel im Albulatal. Es ist der 1. August 2012, ein wunderschöner Tag. Wir sind noch in der Morgendämmerung aufgestanden, da wir die "Laudes", das uralte Morgengebet besuchen wollen, das im Rahmen des Kulturfestivals "Origen" von Männern der Umgebung gesungen wird, ein sehr tiefes Erlebnis. Ich habe damals eine Aufnahme gemacht, die ich bis heute immer wieder höre, unabhängig von der bescheidenen Aufnahmequalität. Im Anhang sind sie zu hören (die Gesänge sind deutsch, romanisch und italienisch, dazwischen die Lesung). 

 

Die Kirche St. Johann ist die älteste ganz erhaltene Kirche der Schweiz, entstanden zur Zeit Karl des Grossen, der an Weihnachten 800 in Rom zum Kaiser gekrönt wurde. Es ist eine schlichte Dreiapsidenkirche. Heute gibt es befinden sich in ihr nur einfache Sitzbalken und ein ungeschmückter Altar. Doch dazu kommen die Wandmalereien aus drei Zeitepochen: Reste von Frescomalerien, die wenige Jahrzehnte nach der Erbauung der Kirche gemalt wurden. Gotische Malereien, entstanden um 1400 bis 1410. Sie bildet den Hauptteil. Dazu einige barocke Dekorationsmalereien aus dem 17. Jahrhundert. 

 

Die Entstehungszeit der Kirche ist eine Zeit einer Neuordnung Westeuropas. Nach dem Zerfall des römischen Reichs folgten viele Jahrzehnte einer chaotischen Phase nach der Migration germanischer Gruppen in Mittel- und Südeuropa nach dem Einbruch der Hunnen nach Europa und  später dem Einfall der Langobarden in Italien. Diese Epoche bildet das Bindeglied zwischen der klassischen Antike und dem europäischen Frühmittelalter. Das siebte und achte Jahrhundert war zudem geprägt durch die rasche Ausbreitung des Islams bis in die iberische Halbinsel und wurde schliesslich durch das fränkische Reich gestoppt und einer neuen Missionierung durch irisch-schottische Mönche. 

 

Zur Zeit des Karl des Grossen bildete sich wieder neu ein grösseres Reich - das Heilige Römische Reich deutscher Nation, in Spannung zum Frankenreich. Es war auch eine Zeit der besonderen Bildungs- und Kulturoffensive. Von Karl dem Grossen wird zudem gesagt, dass er auf der Rückreise von Italien nach einem heftigen Gewitter aus Dankbarkeit das Kloster Sankt Johann in Müstair stiftete, dessen Kirche mit seinen noch fast vollständigen Fresken aus dieser Zeit. Die Klosteranlage wurde als erstes in der Schweiz zum Weltkulturgut erhoben.

 

Mit Karl dem Grossen begann eine neue Blütezeit, eine Stärkung des Christentums und damit verbunden der Bau von Kirchen und Klöstern.

 

Foto von I, Parpan05, CC BY-SA 3.0

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Teil 1 Laudes Mistail 01.08.2012
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Teil 2 Laudes Mistail 01.08.2012
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Teil 3 Laudes Mistail 01.08.2012
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Beinhaus

 

Wer um die Kirche läuft, begegnet dem Beinhaus, wo die Knochen und Schädel unzähliger Menschen aufeinander geschichtet sind. Der Betrachter wird dabei an seinen eigenen Tod erinnert, der kommen wird. Was löst aus? Angst vor dem, was kommen wird? Realismus, dass es so ist? Alles vergeht und es ist gut, sich nicht zu sehr an vergängliche Dinge zu binden. Es stellt die Frage, was mir eigentlich wichtig ist, oder, um es mit Martin Luther zu sagen, woran mein Herz hängt. Was macht meinen "inneren Kern" aus - trägt und hält mich, kann mir niemand nehmen - die unvergänglichen Werte.

 

Ich erinnere mich an Paulus, der in seinem "Hohenlied der Liebe" in 1. Korinther 13 als Abschluss sagt: "Was bleibt, ist Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei. Doch am grössten ist die Liebe." In diesen drei Begriffen - Glaube, Hoffnung und Liebe - liegt alles - und auch die Klärung der Frage: Was ist der Sinn unseres Lebens? Paulus sagt dazu später in seinem persönlichen Bekenntnis ergänzend: "In Christus liegen verborgen alle Weisheit und Erkenntnis." (Epheser 5) Und: "Leben wir, so leben wir im Herrn, sterben wir, so sterben wir ihm Herrn." (1. Korinther 15)

 

Wenn mir dies fremd erscheint: Was wäre denn meine Antwort auf den Sinn des Lebens? Wären die alten Antworten vielleicht einer Entdeckung wert?

 

Die Menschen, die hier begraben wurden, lebten und starben früh an den zahlreichen Krankheiten, die damals keiner behandeln konnte. Für sie war das Leben oft entbehrungsreich, voller Gefahren und ständig vom Tod bedroht. Sie glaubten, dass ihr Ende auf dieser Welt nicht das Ende, sondern der Anfang von etwas Neuem, des Ewigen ist, und dass es gilt, sich jetzt schon auf das grosse Loslassen, den Tod, vorzubereiten.

  

Das kommt uns auch in diesen uralten Gesängen entgegen, die immer wieder bis heute gesungen werden. Wer es tut, den prägt es, trägt es in unserer und faszinierenden und wirren Zeit - hin zum Glauben an das, was zuletzt sein wird jenseits der Möglichkeit unserer Vorstellung.

Beide von I, Parpan05, CC BY-SA 3.0

Das Innere der Kirche

 

Als ich die Kirche betrete, bin ich zunächst erstaunt über die Leere und Kühle, die mir entgegen kommt. Ich sehe bloss einige Sitzbalken aus ungehobelten Holz und vorne die mittlere ganz mit Fresken bemalte Apsis, ebenso links und rechts an den Wänden weitere Fresken, aber nicht voll bemalt und in unterschiedlich gutem Zustand. Die einfache Decke ist mit einigen Ornamenten bemalt. Auffällig ist die Akustik - jedes kleine Geräusch ist hörbar. Wie von selbst gerate ich dabei in einen Zustand der Stille und des Schweigens, der ehrfürchtigen Betrachtung. 

 

Ich mag solche Räume. Sie führen mich zu dem, was mir in meinem überaus angefüllten oder überfüllten Alltag oft fehlt. Momente, in denen ich herunterfahren kann - spüre, wie angespannt ich bin und mich dabei entspannen kann. Am liebst bin ich dann alleine. Nur so kann sich die wohltuende Stille in mir entfalten, mir heilsam sein.

Innenraum - Von Whgler - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0 / Dreiteilige Apsiden - Von I, Parpan05, CC BY-SA 3.0 / Decke - Von I, Parpan05, CC BY-SA 3.0

Mandorla mit thronendem Christus

 

Aus der Distanz wird mein Auge auf die Mandorla mit dem thronenden Christus gelenkt. Die Mandorla - Mandel - ist ein Ausdruck der Verehrung der zentralen Figur - Jesus Christus - und weist auf eine besondere "Aura" hin, seine Ausstrahlung hin. Deutlich sichtbar erhebt Christus seinen rechten Arm, in die Mitte weisend, und trägt - unüblich in solchen Darstellungen - nicht eine Bibel, sondern den Reichsapfel in der Hand. 

 

Rund um ihn erscheinen die vier Evangelisten als Engel und mit den jeweils typischen Symbolik: einen Menschen für Matthäus, einen Löwen für Markus, Lukas mit dem Stier und Johannes mit dem Adler.

 

Es ist eine Symbolik voller Botschaft. Unser Universum, die Geschichte und das Leben der Menschheit, das Geschick jedes Einzelnen sind bestimmt durch Christus. Es ist die Antwort auf die grosse Frage: Wem gehört die eigentliche Herrschaft? Das erste christliche Bekenntnis ist sehr einfach und wurde mit beiden griechischen Buchstaben X und P für Christus - und Α und Ω, (Alpha und Omega, dmr erste und letzte Buchstabe des griechischen Alphabetes) dargestellt als Ausdruck der Überzeugung: Christus umfasst alles, den Anfang und das Ende der Geschichte, Zeit und Ewigkeit. Es sind in seiner Macht.

 

Dieses Bekenntnis trug damals in sich die unerhört grosse Botschaft: Wahre Herrschaft gehört keinem Menschen, sie liegt allein bei Gott und damit keinem der damaligen und heutigen herrschenden Menschen oder System. Diese Botschaft war für den damaligen römischen Kaiser (und jede menschliche Macht, die absolute Herrschaft beansprucht) eine so grosse Provokation, dass sich der Kaiser in seiner Macht in Frage gestellt und angegriffen fühlte und deshalb die Christen blutig verfolgen liess. 

 

Die Geschichte der Verfolgung und Martyriums begleitet die Geschichte der Kirche bis heute. Es geschieht überall dort, wo menschliche Machthaber und Mächte ihre Grenzen überschreiten und sich selbst an die Stelle Gottes setzen. Besonders das zwanzigste Jahrhundert war reich an solchen Machthaber und Systeme - der Nationalsozialismus mit Hitler, den Kommunismus Stalin und Mao und andere mehr. Wir glaubten, dass mit seinen Millionen von Opfern, spätestens mit dem Fall der Berliner Mauer überwindet wäre - und reiben uns die Augen, wie heute erneut ein grosser Krieg mitten in Europa herrscht als Folge des Bedauerns von Putin über den Zerfall des sowjetischen Imperiums und seines Versuchs einer Wiederherstellung einer "russki mir" - einer beherrschenden eurasischen Macht unter der Führung Russlands und verbunden mit der Zerschlagung des demokratisch geprägten Westens mit seinen vom christlichen Glauben inspirierten Menschenrechten als ihren zentralen Werten. 

 

Die Kirche erlag immer wieder einer unheiligen Allianz von Kirche und Staat, verbunden mit dem Streit, wer die Vorherrschaft beanspruchen kann. Religion wurde und wird für eigene Machtansprüche missbraucht. Alle diese Systeme erwiesen sich aber immer wieder tief in sich als unmenschlich.

 

Ganz anders der christliche Glaube in seinem Ursprung mit seiner Botschaft, dass Gott alleine die wahre Macht und Anbetung gehört - einem Gott, der sein wahres Wesen im Erscheinen von Christus mitten in dieser Welt zeigt - und damit wahre Herrschaft in der Einordnung unter ihn als wahrhaft human und sozial. Gott wird Mensch, uns zuliebe. Die Geburt von Christus erfolgt in einem Stall statt einem Palast, bei einfachen Leuten statt in den damals herrschenden politischen und religiösen Kreisen. Es ist ein Gott, der dem Menschen zuerst dient - ein Christus, der die Füsse wäscht, sich den Randständigen zuwendet, heilsam wirkt und sich nicht mit Machtspielen beweisen muss - und uns einlädt, es entsprechend auch zu tun. 

 

 Im Zentrum der kleinen und einfachen Kirche steht eine gewaltige und in seiner Relevanz nach wie vor gewaltige Botschaft. Orientiere dich an diesem Christus, Gott mit uns - am Kreuz gestorben, auferstanden, hingefahren zum Vater im Himmel und sitzend auf dem Thron Gottes. Er allein verdient deshalb den "Reichsapfel". Die Kirche geht in die Zeit Karl des Grossen zurück. Den Reichsapfel, den Karl an Weihnachten 800 in Rom als Zeichen seiner Macht erhielt, gehört in die Hände von Christus. Ein Machthaber, der dies erkennt und sich Christus unterordnet, dient entsprechend seinem seinem Volk oder er missbraucht seine Macht..

 

Diese Botschaft geht zurück auf die Evangelien. Deshalb ist Christus in der Mandorla von den vier Evangelisten umgeben, die uns diese Botschaft in vier Versionen mit je anderen Schwerpunkten überliefern. Jeder erhält dabei ein besonderes Symbol. Die Zahl vier ist eine "heilige Zahl": Sie umfasst die vier Himmelsrichtungen und zeigt die universale Bedeutung der christlichen Botschaft. 

  

Die Symbole gehen auf Visionen aus dem Buch des Propheten Ezechiel zurück, vor allem auf die im 1. Kapitel: „Ich sah: Ein Sturmwind kam von Norden, eine grosse Wolke mit flackerndem Feuer, umgeben von einem hellen Schein. Aus dem Feuer strahlte es wie glänzendes Gold. Mitten darin erschien etwas wie vier Lebewesen. Und das war ihre Gestalt: Sie sahen aus wie Menschen. Jedes der Lebewesen hatte vier Gesichter und vier Flügel.  Und ihre Gesichter sahen so aus: Ein Menschengesicht, ein Löwengesicht, ein Stiergesicht und ein Adlergesicht.“

 

In der christlichen Tradition wurden vom Kirchenvater Irenäus von Lyon († 202) als erstem die viergesichtigen Wesen aus dem Buch Ezechiel als Vorankündigung auf Christus verstanden: Die je vier Gesichter der vier Wesen zeigten Christus majestätisch als „Löwen“, priesterlich als „Stierkalb“, Mensch geworden im „Menschen“ und Geist spendend als „Adler“.

 

Das äussere und innere der Darstellung der Mandorla steht damit im Verhältnis von Verheissung und Erfüllung und führt zum Kern der biblischen Botschaft in ihrer existentiellen Bedeutung bis heute. 

  

Der thronende Christus mit den vier Evangelisten - Von Adrian Michael - Eigenes Werk

Die Reihe der Zwölf Apostel

 

Nun fällt mein Blick auf das Fresko darunter – der Reihe mit den Zwölf Aposteln. Sie sind alle sehr lebendig in ihrer Unterschiedlichkeit dargestellt. Im Bild finden wir leider nur sechs davon.

 

Zwölf. Wieder eine «heilige Zahl»: Sie ist auch das Ergebnis von drei mal vier – die Verbindung der göttlichen und der weltlichen Realität – der Dreieinigkeit Gottes und den irdischen Himmelsrichtungen. Schon dies ist ein Bekenntnis für sich: Gott umfasst alles.

 

Sie ist auch die Zahl des Mysteriums von Gottes Erwählung. Der Beginn liegt bei der Erwählung von Abraham (übersetzt: «Vater der Völker»). Er erhielt von Gott den Ruf, seine Heimat im Zweistromland des Euphrat und Tigris zu verlassen und mit seiner ganzen Sippe ins Land Kanaan auszuwandern. Dabei  bekam er auch eine besondere Verheissung und den Segen Gottes auf den weg. Deine Nachfahren würden so viele wie der Sand am Meer und die Sterne am Himmel werden. er musste sich danach lange gedulden – und zeugte schliesslich auf Rat seiner Frau Sarah mit ihrer Magd Hagar Ismael. Erst im hohen Alter bekamen schliesslich die beiden einen eigenen Sohn: Isaak. Die Geschichte Gottes mit Abraham und seinen Nachfahren begann mit einer besonderen Offenbarung Gottes. In der dritten Generation beginnt sich schliesslich aus den zwölf Söhnen Jakobs die zwölf Stämme des Volkes Israel zu bilden.

 

Ein zweites Mal geschieht eine besondere Offenbarung im Blick auf die Frage: Wer soll der auserwählte König für das Volk Israel werden, nachdem sich der erste, Saul, nicht bewährte? Der damalige Prophet Samuel kam dazu zur Familie von Boas, der seine Söhne ihrem Alter nach seine Söhne zu Samuel rief. Doch unüblich in jener Zeit, in der es der Älteste hätte sein müssen, war es der jüngste: David. Später bekam auch dieser eine besondere Offenbarung: dass einer seiner Nachkommen der wahre König nicht nur von Israel, sondern der ganzen Welt sein würde. Von Abraham bis David sind es vierzehn Generationen: 2 mal 7 – sieben als die Zahl der Vollendung der Schöpfung. 14 ist aber noch nicht das Ende der Verheissung Abrahams: Sie erfolgt erst in der nächsten Generation: Mit der Geburt Jesu mit Heimat in der Stadt Davids, Bethlehem.

 

Nachdem das Mysterium der besonderen Auserwählung Gottes auf das Volk Israel beschränkt geblieben war, wird es nach Pfingsten durch die Schar der zwölf Apostel erweitert und auf die ganze Menschheit bezogen.

 

Diese Geschichte beginnt wieder klein und mit einer besonderen Berufung. Jeden einzeln seiner Jünger spricht Jesus mit den Worten an: «Folge mir.» Und sie folgen ihm ohne Verzug. Es ist eine sehr bunte Schar jüngerer und älterer Männer mit unterschiedlichem Hintergrund und Charakter. Einer davon, Judas, verrät schliesslich den Aufenthaltsort Jesu an seine Feinde, die Christus beseitigen wollen. Er wird später durch Matthias, einenmDiakon der ersten christlichen Gemeinde in Jerusalem ersetzt.

 

Diese Zwölf sind die Apostel – Boten, Gesandte Gottes. Sie tragen das Evangeliums weiter. In der Folge bilden sich rasch, ergänzt durch den Völkerapostel Paulus, kleine Gemeinden rund um das Mittelmeer. Und bis in den Kaukasus, nach Indien und Äthiopien.

  

Die grosse Geschichte von Gottes universaler Erwählung geht bis heute weiter – rund um den Globus. Der christliche Glaube ist längst nicht mehr eine Mehrheit aus europäischen und weissen Christinnen und Christen.

 

 Zur Zeit der Entstehung dieses Freskos in Mistail, im späteren Mittelalter, entwickelte sich in der Kunstgeschichte zudem eine besondere Verbindung der zwölf Apostel mit je einem der zwölf Glaubenssätze des auch heute noch in allen christlichen Richtungen geltenden christlichen Grundbekenntnisses (des "Apstolikums). Die Ansätze dazu geschahen bereits um 400.  Hier die Verbindung, die als «Apostelcredo» bezeichnet wird und wovon wir annehmen können, dass es auch im Albulatal bekannt war:

 

Petrus

Ich glaube an Gott, ...

Mose, Jeremia

»Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde« (Gen 1,1);
»Er ist es, der die Erde erschaffen hat in seiner Kraft, der in seiner Weisheit das Festland gegründet und in seiner Einsicht den Himmel ausgespannt hat« (Jer 51,15);

Andreas

Und an Jesus Christus, ...

David

»Der Herr sprach zu mir: Mein Sohn bist du« (Ps 2,7);

Jakobus der Ältere

Der empfangen ist vom Heiligen Geist ...

Jesaja

»Sehet, das junge Mädchen wird empfangen und einen Sohn gebären« (Jes 7,14);

Johannes

Gelitten unter Pontius Pilatus ...

Habakuk, Sacharja, Daniel

»Strahlen entspringen seinen Händen; das ist die verbergende Hülle seiner Macht« (Hab 3,4);
»Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben« (Sach 12,10);

Thomas

Niedergefahren ins Totenreich ...

Jona, Hosea

»Ich wußte, daß du ein gerechter und barmherziger Gott bist« (Jona 4,2);
»Aus der Gewalt des Totenreiches (Scheol) will ich sie erlösen, vom Tode sie befreien. Wo sind deine Seuchen, o Tod, wo deine Pest, Scheol?« (Hos 13,14);

Jakobus der Jüngere

Aufgefahren gen Himmel ...

Amos

»Er baut in den Himmel seinen Söller« (Amos 9,6);

Philippus

Von wo er kommen wird, ...

Joel, Maleachi, Weisheit, Zephanja

»Da sammle ich alle Völker und führe sie in das Tal Josaphat und rechte dort mit ihnen« (Joel 4,2);
»Dann komme ich zu euch zum Gericht und werde als ein überraschender Kläger auftreten« (Mal 3,5
);
»Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis« (Weish 1,7);

Bartholomäus

Ich glaube an den Heiligen Geist;

Amos, Joel

»Er baut in den Himmel seinen Söller« (Amos 9,6);
»Darnach werde ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch« (Joel 3,1).

Matthäus

Eine heilige, allgemeine Kirche, ...

Zephanja, Micha

»Denn alsdann will ich den Völkern reine Lippen schaffen, daß sie alle den Namen des Herrn anrufen und ihm im selben Joch dienen« (Zef 3,9);

Simon

Die Vergebung der Sünden;

Jeremia, Micha, Maleachi

»Dann, wenn ihr mich anruft und kommt und zu mir betet, werde ich euch erhören« (Jer 29,12);
»Habe wiederum Erbarmen mit uns, zertritt unsere Missetaten, und in die Tiefe des Meeres wirf alle unsere Sünden« (Micha 7,19);

Judas Thaddäus

Die Auferstehung des Fleisches;

Ezechiel, Sacharja

»Ich hole euch heraus aus euren Gräbern« (Ez 37,12);

Matthias

Und ein ewiges Leben

Daniel, Ezechiel

»Viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen, die einen zu ewigem Leben, die anderen zur Schmach, zu ewiger Schande« (Dan 12,2).

 

Quelle der Zuordnung: Wikipedia, Apostelcredo

Bild von Von Adrian Michael - Eigenes Werk

 

Bild von Adrian Michael - Eigenes Werk

 

Der Heilige Georg

 

Nun schaue ich mich weiter um und bleibe beim Ritter mit seiner langen Lanze hängen. Es ist Georg. Nach frühchristlichen Legenden starb er am Beginn der grossen Christenverfolgung durch den römischen Kaiser Diokletian am Ende des dritten Jahrhunderts nach einem harten Martyrium (hinter dem Wort steckt griechisch martyros – Zeuge; der Verfolgte erleidet sein Martyrium als Folge seiner Standhaftigkeit gegenüber dem christlichen Glauben). In der volkstümlichen christlichen Tradition zählt er zu den vierzehn Nothelfern und ist Schutzpatron verschiedener Länder (so etwa Georgien), Adelsfamilien, Städten und Ritterorden.

 

Erst später, zur Zeit der Kreuzzüge im 12. Jahrhundert wurde er, wie in Mistail dargestellt, mit dem Begriff des Drachentöters in Verbindung gebracht, und es entstanden viele Legenden.

 

Für uns heute hat der Ritter als Drachentöter eine tiefenpsychologische Bedeutung. Wohl jeder hat im Laufe seines Lebens mit gewissen «Drachen» zu kämpfen: Anfeindungen, Schwächen in der eigenen Persönlichkeit, negativen und destruktiven Gedanken, unguten Prägungen. Wie reagiere ich darauf? Nehme ich es einfach hin und erliege meinen Versuchungen – oder richte ich mich immer wieder auf, steige aufs Pferd, nehme die Lanze und töte den Drachen?

 

Psychologisch und psychotherapeutisch ist es oft ein langer Weg, bis ich meine Drachen erkenne und mich ihnen stelle. Dazu braucht es zumeist fachliche Hilfe. In der christlichen Überzeugung sind wir nie einfach nur Opfer der Umstände – wir können sie überwinden. Paulus ermutigt dazu mit den Worten: «Kämpfe den guten Kampf des Glaubens.» (1. Tim 6,12). Und er spricht davon, dass wir das «Schwert des Glaubens ergreifen sollen» und «die Waffenrüstung Gottes anziehen» (Epheser 6,11-13).

 

Dabei ist nie die Rede davon, dass wir diesen Kampf mit gewaltsamen Mitteln führen sollen. Im Gegenteil: Als Petrus seinen Herrn bei der Verhaftung verteidigt und dem Soldaten ein Ohr abschneidet, spricht Jesus Klartext: «Steck dein Schwert in die Scheide; denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.» Im Blick auf die Zeit, in dem das Fresko entstand, die Kreuzzüge, wird sichtbar, wie oft die Kirche die Klarheit dieser Botschaft zu oft vergessen hat und sich schuldig machte.

  

Neben dem Fresko mit Georg als Drachentöter sehen wir noch den jungen Ritter Georg.

Beide Bilder von Adrian Michael - Eigenes Werk

Die Darbringung der drei Könige

 

Ursprünglich war die Kirche in Mistail ganz ausgemalt, doch sehr vieles ist durch den Zerfall der Zeit verloren gegangen. So fehlen wesentliche Darstellungen, die in dieser Zeit üblich waren -  etwa die Vielfalt der Weihnachtsgeschichte mit der Ankündigung der unerwarteten Geburt für Maria durch den Engel Gabriel, ihrem Besuch bei ihrer Verwandten Elisabeth oder der Flucht nach Ägypten. die ganze Leidensgeschichte Jesu fehlt ganz, der Einzug nach Jerusalem, das Abendmahl, das Gebet Jesu im Garten Gethsemane, seine Verhaftung, die Folterung und Gerichtsverhandlung, der Weg zum Kreuz und die Kreuzigungsszene. Auch die Auferstehung und die Himmelfahrt fehlen.

 

Erhalten blieb aber der Besuch der «Drei Könige» nach der Geburt. Eigentlich waren es Magier, die auf Grund einer bestimmten Sternenformation annahmen, dass ein grosser König in Jerusalem geboren sein müsste. Sie folgten ihrer Eingebung und kamen zu Herodes, der von alledem nichts wusste. Er liess deshalb die jüdischen Schriftgelehrten kommen, die ihn auf eine uralte Verheissung der alttestamentlichen Propheten aufmerksam machten, dass einmal der grosse Nachfolger von König Davids, der erhoffte Messias, in der Stadt Davids, im nahen Bethlehem, geboren würde.

 

Diese Botschaft versetzte Herodes in eine grosse Anspannung: Die drei Männer mussten ihm deshalb versprechen, zurückzukommen und ihn zu informieren, falls sie das neugeborene Königskind finden würden. Die Männer kamen schliesslich in Bethlehem zum Ziel und ehrten das Kind mit ihren Geschenken – Gold, Weihrauch und Myrrhe, angemessen für einen künftigen König. Nach einem Traum zogen sie aber ohne Information an Herodes zurück in ihre Heimat. Auch Josef, der Mann Marias, erhielt einen Traum, auf dessen Grund er mit seiner Familie ins Exil nach Ägypten zog, bis Herodes als Herrscher abgelöst wurde. Nach der Flucht liess dieser alle erstgeborenen Kind ermorden, um sicher zu sein, dass seine Herrschaft nicht gefährdet sein könnte.

 

Es ist eine Gesichte voller Besonderheiten, so etwa dem Skandal, dass eine erst verlobte Frau Schwanger wird, dass die Erfüllung der Verheissung nicht im religiösen jüdischen Zentrum in Jerusalem und in einer damals bedeutenden Familie geschieht, dass die ersten Verehrer Hirten waren und damit sozial Randständige waren und dem Thema der Angst eines Machthabers vor einem anderen, der ihn stürzen könnte.

 

In Mistail wird die Verehrung der drei Könige zweiteilig dargestellt. Im ersten Teil übergibt ein noch recht junger König sein Geschenk in einem Beutel an Maria, die ebenfalls als Königin dargestellt wird und auch eine Krone trägt. Sie ist die «Himmelskönigin», so oft dargestellt im Mittelalter und auch durch liturgische Gesänge verehrt. Es ist ein besonderer Ehrentitel. Als «Mutter Gottes» hat sie Anteil an der "himmlischen Herrlichkeit ihres Sohnes".

 

Die Marienverehrung war damals sicher sehr üblich und verdrängte andere im Unterschied dazu biblisch bezeugte Elemente des Evangeliums. Die Reformation war es, die dies stoppte und die Kirche zum Eigentlichen, dem wahren Evangelium zurückzuführen versuchte. Dies führte in vielen Orten auch in Graubünden zu einer «Reinigung» der Kirchen. Alte Fresken wurden übermalt und nicht ersetzt, Nüchternheit herrschte von nun an in den kirchlichen Räumen. So geschah es etwa in Zillis mit Ausnahme der äusserst wertvollen Decke mit 153 Gemälden und in Waltensburg/Vuorz. An vielen Orten wurden aber die alten Fresken aber erhalten, da sie den Leuten zu sehr gefielen. In Graubünden war damit die Reformation weniger radikal..

 

In der ersten Darstellung der «Drei Könige» in Mistail fällt auf, wie unterschiedlich gross die Figuren gemalt sind. Das Jesuskind wirkt sehr aufgeweckt und eher wie ein überreifes fünfjähriges Kind. Sichtbar sind dahinter auch Engel, die mit ihrem Gesang der Szene eine besondere Feierlichkeit geben.

 

Im zweiten Bild steht der andere König nicht wie der Erste stolz und aufrecht da. Es ist ein schon älterer Mann, geprägt durch seine Weisheit im Laufe seines Lebens. Auch er übergibt etwas. Er trägt auch keine Krone, braucht dieses äussere Zeichen nicht mehr zu seiner Legitimation. Links hinter Maria ist Josef zu sehen – in der Weihnachtsgeschichte und später in den Evangeliums und Kunstgeschichte eine «Randfigur».

 

Bild von Adrian Michael - Eigenes Werk

Die drei Szenen über dem Seitenportal

 

„Die drei Szenen über dem seitlichen Portal liegen auf der gleichen Verputzschicht wie das Christophorusbild daneben. Sie sind möglicherweise in Zusammenhang mit der Weihe von 1397 von der Hand eines lokalen Malers entstanden und zeigen deutlich einen anderen Stil.

 

Sie zeigen links den heiligen Gallus, der in Mistail als Gründer des Klosters St. Gallen verehrt wurde, in der Mitte die Darstellung einer Kirchweihe, in der Petrus die Kirche von Mistail weiht (deshalb heisst die Kirche St. Peter) und rechts eine Christusdarstellung; ein Mahnbild, in dem eine strenge Sonntagsheiligung gefordert wird. Die Werkzeuge sind nicht Leidenswerkzeuge, sondern bäuerliche Geräte, bei deren Anblick am Sonntag Christus stets von neuem verwundet würde.“ (Wikipedia)

 

Bereits früher war hier schon von einer Re-Christianisierung oder weiteren Evangelisierung Europas die Rede. Nachdem im Römischen Reich in der „Konstantinischen Wende“ im Jahre 391 das Christentum als Staatsreligion erhoben worden war und damit nicht mehr die Position einer verfolgten Aussenseitergruppe, zerfiel im sechsten Jahrhundert das Römische Reich endgültig. Doch mit Karl dem Grossen kam es in weiten Bereichen nördlich und auch südlich der Alpen zu einem zunehmenden Zerfall des christlichen Glaubens.

 

Der Impuls zu einer Wiedergeburt kam zunächst durch iro-schottische Wandermönche mit späteren Folgen bis ins Albulatal und weit darüber hinaus.

 

Irland und der Norden Schottlands sind eine Ausnahme, was die Christianisierung betrifft. Sie waren nie Teil des Römischen Reiches und waren auch nicht von der Völkerwanderung betroffen. Typisch für dieses Christentum „waren ein ausgeprägtes Mönchtum. Die Klöster legten Wert auf das Bibelstudium; Irland stand im Ruf einer „Insel der Heiligen und Gelehrten“. Karl der Große lud aus diesem Grund irische Gelehrte von der „Insel der Gebildeten“ an seinen Hof ein. Die Pilgerreise der Mönche, das Verlassen der Heimat um der Mission willen, galt als asketische Übung. Mönche trugen die sogenannte transverse Tonsur, bei der die vordere Hälfte des Schädels geschoren wurde. Priester mussten Steuern zahlen, Militärdienst leisten und waren der weltlichen Justiz unterstellt. Es gab keinen Zehnten; die Klöster und Priester wurden durch Spenden der Clans unterhalten. Die Taufe wurde vermutlich durch Untertauchen und ohne Salbung, jedoch mit anschließender Fußwaschung vollzogen.“ (Wikipedia)

 

Deshalb war dieses Christentum besonders authentisch und nahe seinem Ursprung. Gallus lebte um 550-640 und wurde der Stifter des Klosters St. Gallen. Dass er zur Zeit des Baus der Kirche in Mistail gelebt hat, ist somit eine Legende, aber auch eine schöne Verbindung, die als Frucht der früheren Tätigkeit von Gallus angesehen werden kann.

 

Auf dem ersten Bild des dreiteiligen Fresko sehen wir ihn bei der Einweihung der Kirche. Er ist bereits sehr alt, steht aber noch aufrecht da, mit einer grossen Bibel in der Hand. Das weist uns zur Mission von Gallus – der Verbreitung des authentischen Evangeliums, der Evangelisierung auch des Albulatals. Die beiden Bäume um ihn auf dem linken Fresko mit ihren sprossenden Zweigen und der blühenden Krone bezeugen einen Neuaufbruchs in der schon älter gewordenen Kirche.

 

Im dreiteiligen Bild trägt Gallus in der linken Hand einen grossen Schlüssel und die Bibel – er übergibt als Stifter bei Einweihung die Kirche der Bevölkerung den Schlüssel. In der rechten Hand trägt der den Wedel, mit dem er das Weihwasser im Gefäss neben ihm taucht, um den Bau und die zahlreichen anwesenden Leute zu segnen. Wir sehen einen Mönch und eine Nonne und zwei Vertreter der einheimischen Bevölkerung. Sicher muss der Bau und die Einweihung für die ganze Region ein grosses Ereignis gewesen sein, nachhaltig und zum Segen bis in die Gegenwart, auch wenn die Kirche nicht mehr liturgisch benutzt wird.

 

Sehr eindrücklich ist das rechte Bild, die uns an das sechste der Zehn Gebote erinnert, im Wortlaut das längste Gebot: "Sechs Tage sollst du arbeiten und all deine Arbeit tun; der siebte Tag aber ist ein Sabbat für den HERRN, deinen Gott. Da darfst du keinerlei Arbeit tun, weder du selbst noch dein Sohn oder deine Tochter, dein Knecht oder deine Magd noch dein Vieh oder der Fremde bei dir in deinen Toren. Denn in sechs Tagen hat der HERR den Himmel und die Erde gemacht, das Meer und alles, was in ihnen ist, dann aber ruhte er am siebten Tag. Darum hat der HERR den Sabbattag gesegnet und ihn geheiligt. Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst auf dem Boden, den der HERR, dein Gott, dir gibt."

 

Wir sehen die Bekleidung, Gefässe und das Vieh der einfachen Landbevölkerung. Auch ein Haus und der Friedhof und das bearbeitbare Land sind mutmasslich zu sehen. Alles ist Gott geweiht. Dazu kommen die Gegenstände für die Arbeit: Beil, Hammer, Säge, Sichel, Pflug und weiteres dazu. All das soll am Sonntag mit dem Menschen ruhen. Das Ruhegebot ist heilig - wer es verletzt, verletzt damit Christus, der beinahe nackt mit langem Haar, kräftigem Bart und guter Muskulatur vor uns steht. 

 

Ich erinnere mich noch an meine Jugend, als nicht alle Bauern selbstverständlich bei gutem Wetter trotz Sonntag das Heu einfuhren und es auch nicht gerne gesehen wurde, wenn jemand im Garten oder Haus arbeitete. Auch in unserer postmodernen Zeit ist dennoch der Sonntag als allgemeiner Ruhetag unumstritten geblieben und die Bestrebungen, ihn weiter zu beschneiden, etwa durch den Sonntagsverkauf, sind noch nicht mehrheitsfähig.

 

Der Mensch braucht einen guten Rhythmus zwischen Arbeit und freier Zeit. Das sechste Gebot ist ein äusserst wertvolles Kulturgut, das wir weiterhin schützen uns zum Wohl schützen sollen. Eigentlich wäre der Sonntag auch eine Zeit, die dem Hören auf Gott und seinem Wort, der Bibel, besonders gehört - als Reflektion und Impuls für den Alltag, dem "anderen Gottesdienst" - und damit dem christlichen Galuben als eine umfassend gelebte Inspiration.

 

Bild von Adrian Michael - Eigenes Werk / Musik aus der Kommunität auf der Insel Iona in Schottland, wo das irisch-christliche Erbe weiterlebt / Die moderne Version von "Celtic Worship tf. Steph Macleod

Christophorus - der Schutzheilige aller Reisenden

 

Was mich als letztes berührt, ist das, was uns in Graubünden oft zuerst entgegenkommt und zumeist draussen in Übergrösse an der Kirchenwand (so etwa in Stugl/Stuls). Es ist Christophorus – wörtlich der „Christusträger“. Er trägt auf seiner linken Schulter ein Kind und steht mit den Füssen im Wasser. Auch er gehört zu den „14 Nothelfern“ und ist der Schutzheilige aller Reisenden.

 

Mistail liegt an einer schon damals viel begangenen Strecke und Handelsroute auf dem Weg von Norden nach Süden. Die Leute kamen entweder vom Rheintal in Chur über die heutige Lenzerheide oder Thusis, wo sich verschiedene Wege kreuzen. In diesem Fall mussten sie die bedrohliche Enge der Schinschlucht überwinden, wo heute die Strasse und Bahnlinie durch viele Tunnels und Kurven führen. Unmittelbar anschliessend trennen sich wieder die Wege über hohe Alpenpässe: Richtung Oberengadin oder bereits in das nahe Italien. Oder über den Albula ins mittlere Engading und weiter nach Osten oder Süden.

 

Die Reise war beschwerlich und mit vielen Gefahren verbunden durch Unwetter und Steinschläge verbunden. Viele kamen wohl auch um. Die Leute waren sich dessen bewusst und dankbar für einen Moment der Einkehr in der Kirche zu Mistail zum persönlichen Gebet und zur Bitte um Sege. Diese Möglichkeit war ein wichtiger Dienst dieser Kirche vor Ort.

 

Ob es Christophorus überhaupt gegeben hat, war schon im Spätmittelalter umstritten. Belegt ist aber eine Verehrung als Märtyrer bereits im fünften Jahrhundert. Daraus entwickelten sich zahlreiche Legenden. So etwa die Erzählung von einem idealen Ritter, der dem mächtigsten Herrscher dienen will. Er wird uns als Riese dargestellt, der ein winziges Kind über den Fluss trägt und glaubt, das wäre eine einfache Sache. Doch beim Durchschreiten wird das Kind immer schwerer, so dass er darunter zusammenzubrechen droht und Angst bekommt, zu ertrinken.

 

Am anderen Ufer sagt er zu dem Kind: „Du … bist auf meinen Schultern so schwer gewesen: Hätte ich alle diese Welt auf mir gehabt, es wäre nicht schwerer gewesen.“ Das Kind antwortet ihm: „Des sollst du dich nicht verwundern, Christophorus; du hast nicht allein alle Welt auf deinen Schultern getragen, sondern auch den, der die Welt erschaffen hat. Denn wisse, ich bin Christus, dein König, dem du mit dieser Arbeit dienst.“

 

Nun weiss Christophorus, wer der mächtigste Herrscher ist und dient ihm bis zu seinem Lebensende.

 

Das stellt auch uns vor die Frage: Wem oder was dienen wir? Wer oder was ist für uns wirklich bestimmend? Die Inspiration, die von der Legende an uns geht, begleitet auch uns auf unseren Wegen.

 

Innerlich ruhig und erfüllt gehe auch ich nach all meine Eindrücken aus der Kirche weiter – dankbar, was mir geschenkt wurde. Gerade in der Schlichtheit dieser kleinen Kirche mit ihren Gemälden liegt eine unerhörte Dichte einer auch heute bedeutsamen Spiritualität. 

Bild von Adrian Michael - Eigenes Werk

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