· 

Was würde Jesus Andreas Glarner sagen?

 

Was würde Jesus Andreas Glarner sagen?

 

Einer der umstrittensten Politiker unseres Landes ist Andreas Glarner. Er schafft es immer wieder, sich in Szene zu setzen und Schlagzeilen zu erzeugen. Mit diesem Beitrag startete ich in meinem Blog das Kapitel "Kommentare". Anregungen dazu sind gerne erwünscht. Zusätzlich der Kommentar in der "NZZ am Sonntag". 

So etwa der Glarner-Tweet zu den betenden musliminischen Soldaten in der letzten Woche: «Was kommt als Nächstes? Kinder-Ehen, Scharia-Gerichte, Steinigungen?» «So, jetzt ist die Schweizer Armee definitiv verloren».

Das Ereignis in der Schweizer Armee war natürlich ein Steilpass für Andreas Glarner, diese betenden Soldaten. Sind sie tatsächlich gefährlich? Extremisten, die Kinder-Ehen befürworten, Scharia-Gerichte, Steinigungen?

Wohl kaum, dann wären sie nicht eingebürgert worden und leisten ihren Dienst in der Schweizer Armee. Und vergessen wir nicht: Ganz so einfach ist die Einbürgerung nicht. Gerade auch für Bewerber muslimischen Glaubens.

Ich selbst habe auch meine Fragen im Blick auf unseren Umgang mit Religionen. Mir erscheint, dass ein Teil unserer Politik und intellektuellen Diskursses in diesem Bereich manchmal etwas zu blauaäugig bzw. einseitig ist.

Als christliche Kirchen sind wir uns längst daran gewohnt, dass wir nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst werden, sogar hart kritisiert werden – manchmal zurecht, wenn es um die unsäglichen Geschichten über sexuellen Missbrauch geht. Dennoch glaube ich, dass der christliche Glaube nach wie vor ein grosses Potential hat und viele unserer Gläubigen dies leben, ohne an die „grosse Glocke“ zu hängen.

Mir erscheint es, dass im Blick auf den christlichen Glauben im Vergleich zum Umgang mit anderen Religionen unterschiedliche Masstäbe angelegt werden.

Zu rasch wird etwa der Versuch einer sachlichen Auseinandersetzung mit schwierigen bis extremen Positionen im Islam bereits als „islamophob“ abgeblockt. Dies müsste in einer freien und demokratischen Gesellschaft aber möglich sein. Sachlich, nicht hetzerisch. Anfragend, nicht zuvor schon verurteilend. Aufmerksam beobachtend und wachsam, wo nötig. Genau wie dem christlichen Kirchen gegenüber.

Sachlich wäre auch, dass wir festhalten, dass die Mehrheit der Muslime in unserem Land uns wirklich keine Sorgen bereiten und wertvolle Beiträge leisten, dass unser Land "funktioniert". Was Extremismus betrifft, müssen wir wachsam bleiben. Und ich meine, wir tun es auch. Das bestätigen verschiedene Vorfälle und Gerichtsprozesse, so etwa in Winterthur.

Herr Glarner ist nicht bekannt für vorwiegend sachliche Argumentationen. Er betont immer wieder unsere christlich-abendländische Kultur. Was ist das für ihn eigentlich? Wie sieht sein christliches Bekenntnis aus? Hat sein Verständnis von „christlich-abendländischer Kultur“ mit dem Kern des christlichen Glaubens, Jesus Christus, tatsächlich etwas zu tun?

Was würde Jesus Christus Andreas Glarner sagen?

Ich bin ein ausgesprochener Vertreter unseres schweizerischen politischen Systems, das nicht geteilt ist in die Regierung mit einer oder mehrerer mit ihr verbundenen Parteien und alle anderen als Opposition.

Zu unserer politischen Kultur gehört eine gewisse Sachlichkeit und Konkordanz. Sogar in Wahlzeiten. Das ist ein kostbares Gut.

Unser Land braucht eine SVP, die besondere Sorge trägt zur unserer schweizerischen Identität. Und zu unserem Gewerbe, den blühenden KMU. Eine Partei, die die Sorgen der «kleinen Leute» versteht. Sie sollte das sachlich tun und sich dabei bescheiden bleiben und sich gleichzeitig bewusst sein, dass unser Wohlstand nicht nur das Resultat unserer Tüchtigkeit ist, sondern auch der Arbeit zahlreicher Zugewanderter, die oft zunächst nicht gerade besonders willkommen geheissen werden.  Eine Schweiz ohne ausländische Arbeitskraft -auch muslimischen Glaubens - würde längst schon wirtschaftlich zusammenbrechen. Unser Wohlstand baut darauf. Auch wenn es dabei durchaus Probleme gibt, bei ungenügender Integration.

Wenn Herr Glarner es ernst meint mit einer Begrenzung unserer Bevölkerung, was ich durchaus verstehen kann, wenn unser Land weiter zugebaut wird und die Infrastruktur nicht mehr genügt, dann muss er dringend auch unter seinen Mitgliedern Kampagnen starten, eine Ausbildung und Stelle im Gesundheitswesen, im Bauwesen, in der Reinigung, in der Gastronomie oder im Kehrrichtswesen zu absolvieren oder anzutreten.

Schweizer – verachtet diese Arbeit nicht, lasst euch für diese wichtigen Arbeiten ausbilden. Das wäre etwa eine sachliche Kampagne. Denn alle diese Arbeiten müssen getan werden und unsere eigenen Kräfte reichen dazu nicht aus.

Was ich noch loswerden muss, ist die Begründung von Herrn Glarner für seine Abwesenheit bei der Ansprache von Wolodymyr Selenskij in der vereinigten Bundesversammlung: «Man müsse auch die andere Seite hören.» Jede gute Regel – und ich meine, dieser Satz ist es – hat auch Ausnahmen. Wir können nicht allen Ernstes Putin einladen, zu unserem Parlament zu sprechen. Was er getan hat, den Überfall Russlands auf die Ukraine, ist für keinen Schweizer Bürger akzeptabel. Genau so, wie wir uns auch von Hitler und Stalin distanzieren mussten. Trotz Neutralität wussten diese, dass wir sie nicht befürworgen und auch gegen sie unsere Unabhängigkeit verteidigen.

Wir sind ein Land, das sich mit vier verschiedenen sprachlichen Kulturen für Freiheit und Eigenständigkeit entschieden hat. Deshalb können wir kein Land akzeptieren, dass die Existenz eines anderen Landes bedroht, seine Grenzen in Frage stellt, sein Recht auf eine Existenz sogar grundsätzlich bestreitet.. Das wäre zutiefst unschweizerisch.

Ich weiss, dass längst nicht alle SVP-Mitglieder den Stil und die Haltung von Andreas Glarner befürworten. Danke auch den beiden Parlamentsmitgliedern, die trotzdem Wolodymyr Selenskij zugehört haben. Das ist echte Zivilcourage.

Was würde Jesus Andreas Glarner sagen?

Ich glaube, er würde ihm entgegnen, aber nicht in derselben Sprache. Er würde ihm wohl eines seiner Gleichnisse erzählen - vielleicht das vom "barmherzigen Samariter". Seine Botschaft wäre unmissverständlich. Und das würde genügen. Im Gleichnis wird der Mann, der unter die Räuber fiel, von einem Ausländer mit aus der Sicht der anderen "falschen Religion" grosszügig behandelt.

Genau das gehört zu unserer „christlich-abendländischen Kultur“, die auch zu dem geführt hat, was wir heute als „Menschenrechte“ bezeichnen.

Und vergessen wir nicht: Der christliche Glaube ist kein ausschliessliches Gut europäischer Kultur. Ihr Ursprung liegt im Nahen Osten und ihr Schwerpunkt heute im südlichen Teiles unseres Planeten.

 

 

Hier auch der Kommentar in der "NZZ am Sonntag"

Schweizer Soldaten, die im Tarnanzug ihr muslimisches Gebet verrichten – ein ungewohntes Bild, vor allem für jene, deren eigene Dienstzeit schon länger zurückliegt. Aber so wie seither die Ausrüstung und das Material modernisiert wurden, so hat sich auch die Armee verändert. Als Spiegel der Gesellschaft vereint sie immer mehr Soldaten unterschiedlichen Glaubens in ihren Reihen. Für sie alle gilt: Ihre Religion wird geachtet, dem Bedürfnis nach religiösem Beistand ist im Militärdienst Rechnung zu tragen. So steht es im Dienstreglement der Armee. Was aber tut die SVP? Sie stellt das Bild der betenden Soldaten in einen Zusammenhang mit der Scharia, Kinderehen und Steinigungen. Das ist Hetze der übelsten Sorte – gegen Angehörige des traditionsreichen Gebirgsschützenbataillons 6. Viel mehr Schmutz kann man nicht gegen den kameradschaftlichen Geist der Armee werfen. Wer selber im Militär war, weiss, wie engagiert gerade auch Secondos Dienst leisten und sich fürs Weitermachen entscheiden. Im Unterschied zu vielen, die sich vor dem Militärdienst drücken. Es wäre interessant, zu wissen, wie viele Diensttage jene geleistet haben, die sich nun an der Hetze beteiligen. Ihr Schuss ist jedenfalls nach hinten losgegangen.

Daniel Foppa 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0